• Fischer Ndiaye vor der Küste Senegals. Foto: Koch

Energiewende in Senegal

Erdgas für Deutschland?

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Von Hannes Koch

31. Okt. 2023 –

Mit hoher Geschwindigkeit fährt das Marineschiff an den kleinen Fischerbooten vorbei. Das Geschütz auf dem Vorderdeck ist mit einer Plane abgedeckt. Die Motoren wühlen das Meerwasser auf zu einer Spur weißer Gischt. Soldaten auf der Brücke des zwei Stockwerke hohen Schiffes beobachten die Fischer. Der Abstand beträgt vielleicht 100 Meter.

Diese Szene wurde vor einigen Monaten per Smartphone von einer der flachen Pirogen aus aufgenommen, mit denen die Fischer auf den Atlantik hinausfahren. Zu sehen ist ein Dutzend der bunt bemalten Boote. Das Bild springt hektisch hin und her. Das große Schiff wendet, kommt zurück. Die Fischer rufen, schreien, gestikulieren. Sie fühlen sich bedroht. Das beabsichtigt die Marine wohl auch. Sie will den Bootsbesatzungen den Weg blockieren.

Vor der Küste des westafrikanischen Landes Senegal liegt unter dem Meeresboden ein bedeutendes Erdgasvorkommen, aus dem Anfang 2024 die Förderung beginnen soll. Um die Plattformen auf hoher See herum wurden Sperrgebiete eingerichtet, in denen keine Fischerei mehr stattfinden darf. Was zunächst nach einem lokalen Problem klingt, hat eine globale Dimension: Ist es angesichts der Klimaerwärmung jetzt noch ratsam, neue fossile Energiereserven zu erschließen? Auch Deutschland nimmt Einfluss auf den Konflikt: Bundeskanzler Olaf Scholz hat erklärt, Interesse am Import von Erdgas aus Senegal zu haben, um russische Lieferungen zu ersetzen. In Gesprächen mit Betroffenen in Senegal, Betreibern eines Solarkraftwerkes, Energie-ExpertInnen und PolitikerInnen will die taz klären, welche Auswirkungen die Gasstrategie mit sich bringt - und welche Alternativen es gäbe.

Mame Moussé Ndiaye ist einer der Fischer, die in St.Louis leben, einer Küstenstadt im Norden, an der Grenze zu Mauretanien. Er ist aktiv in mehreren Berufsvereinigungen von Fischern – und nimmt sich Zeit für eine Bootstour in Richtung der Gasplattform, die der Küste am nächsten liegt.

Die Piroge, das etwa zehn Meter lange, schmale Holzboot, wartet zwischen vielen anderen auf dem Sandstrand. Ndiaye und ein Freund schleppen Anker, Seile, Bojen, Tank und den 15-PS-Außenbordmotor herbei. Die äußeren Bordwände des Bootes sind in rot, blau, schwarz, gelb mit Schrift und Bildern verziert. Ein paar Jungs und Erwachsene helfen, die Piroge über Holzwalzen zum Wasser zu schieben. Als sie schwimmt, steigt man hinein, der Freund zieht mit dem Starterseil den Motor an, der hohe Bug bäumt sich über der ersten Brandungswelle auf. Dann Gas geben, das Boot taucht ins Wellental. Die nächste Schaumkrone bricht, im Nu ist man nass, was bei 23 Grad Wassertemperatur aber nichts macht. Drei, vier Mal geht das so, dann bleibt die Brandung hinter der Piroge zurück.

Vielleicht einen Kilometer links fährt langsam das Marineschiff, anscheinend dasselbe wie im Video. „Sie passen auf, dass wir der Gasplattform nicht zu nahe kommen“, ruft Ndiaye gegen den Lärm des Windes und der Wellen an. Er steht in der Mitte der Piroge, bewegt sich kaum, gleicht alle Bewegungen des Bootes mit seinem Körper aus. Seine weiße Shorts ist klatschnass, die Zigarette in seiner Faust bleibt trocken.

Ein paar Kilometer mit Vollgas raus aufs Meer – und die Häuser von St.Louis sind nur noch klein am Horizont zu sehen. Vorne aber, in westlicher Richtung, hebt sich allmählich eine längliche Struktur aus dem Dunst: die Gasplattform. Rot, gelb, weiß und grau schimmern hohe Schiffsaufbauten, Kräne, Schornsteine, Radaranlagen. Die Fabrik auf dem Meer besteht aus einem 1.200 Meter breiten stählernen Wellenbrecher und einem dahinter liegenden künstlichen Hafen, in dem die Pipelines aus der Tiefsee enden. Dort soll das Gas verflüssigt (LNG – liquified natural gas) und mit Tankern exportiert werden – vielleicht irgendwann auch nach Deutschland.

Die Fabrik schwimmt nicht. Sie steht auf dem Meeresboden, der hier, so nahe der Küste, nur noch 30 Meter unter dem Wasserspiegel liegt. Diese Lösung wurde gewählt, um die Installationen zur Sicherheit fest zu verankern. Ausgerechnet hat man aber eine Stelle ausgewählt, wo sich ein ausgedehntes Riff aus Felsen und Korallen befindet. Der Fischreichtum ist groß. „Das Riff liefert alles“, sagt Ndiaye - nicht nur für den Verkauf, sondern auch für die täglichen Mahlzeiten der Fischerfamilien.

Nun sind aber seit etwa zwei Jahren große Wasserflächen über dem Riff für die Fischer gesperrt. Die Marine verhindert die Arbeit dort. Die Verbotszone direkt vor St.Louis umfasst 500 Meter von der Gasplattform aus in alle Richtungen, was auf mehrere Quadratkilometer hinausläuft. Eine weitere Spreezone liegt weiter draußen auf dem Meer. Ndiaye: „Viele Boote fahren deshalb kaum noch raus.“ Manche Fischer verlören „ein Viertel ihres Einkommens, andere die Hälfte“, heißt es beim Nationalen Verband der Fischer.

Kann das sein? Der Ozean dehnt sich schier unendlich. Spielen ein paar Quadratkilometer wirklich eine Rolle? „Da hinten“, sagt Ndiaye und weist vom Boot aus in die Ferne, „beginnt schon Mauretanien“. Dort im Norden der Stadt ist der Fischfang für senegalesische Boote untersagt, es sei denn, die Eigentümer leisten sich eine kostenträchtige Lizenz. Und im Süden von St.Louis seien die Fischvorkommen nicht so reichhaltig. Das ist vor allem ein Problem für die kleinen Pirogen, die für weite Strecken und die hohe See nicht taugen.

Jetzt wendet das Boot, es geht zurück zum Ufer. Mit Vollgas setzt man auf den Sand. Motor hochklappen, die Jungs sind zur Stelle und ziehen die Piroge hoch ins Trockene. Alleine auf diesem Stück des Strandes liegen hunderte Gefährte dicht an dicht. Der Lebensunterhalt von rund 3.000 Familien hänge von ihnen ab, sagt die Fischer-Vereinigung. Auf der Langue de Barbarie, der nur über Brücken zu erreichenden, langgestreckten Halbinsel vor St.Louis, leben eigentlich fast alle Leute irgendwie vom Fisch – wenn sie selbst keinen fangen, mittelbar von den Einkünften der Fischer – als Händlerinnen, Bootsbauer, Mechaniker, Kneipiers. So mag es sein, dass schließlich zehntausende Einwohner:innen negativ vom Gasprojekt betroffen sein könnten.

Grundsätzlich bietet die Regierung in der Hauptstadt Dakar den Geschädigten Kompensationen, Umschulungen und Ersatzarbeitsplätze in der Gasindustrie an. Bisher hätten sie aber keine Hilfen erreicht, sagen die Vertreter der Fischer. Von der Regierung ist dazu keine Auskunft zu bekommen. Deren politische Position sieht so aus: Für das ganze Land ist das Gas so wichtig, dass die Vorteile die möglichen Nachteile für die Fischer von St.Louis bei Weitem übersteigen.

Die Probleme der lokalen Bevölkerung sind ein Teil einer größeren Auseinandersetzung. 2015 fand das US-Unternehmen Kosmos das Erdgas, nach dem es suchte – 125 Kilometer vor der senegalesischen Küste, unter dem dort 3.000 Meter tiefen Meeresboden. Heute gehören dem britischen Energiekonzern BP 56 Prozent, Kosmos 27 Prozent, dem staatlichen senegalesischen Unternehmen Petrosen 10 Prozent und Mauretanien 7 Prozent der Anteile. Das Vorhaben heißt jetzt Greater Tortue Ahmeyim (GTA). Von den Bohrungen in der Tiefsee führen nun Pipelines auf dem Meeresboden zu einem Schiff etwa 45 Kilometer vor der Küste, wo das Gas gereinigt werden soll. Von dort wird der Rohstoff in Unterwasserröhren zur Gasplattform vor St.Louis strömen.

BP schätzt die gesamte Gasmenge auf etwa 400 Milliarden Kubikmeter. Zum Vergleich: Die bekannten Gasreserven Saudi-Arabiens betragen etwa sechs Billionen Kubikmeter. GTA ist im Weltmaßstab ein eher kleines Vorkommen, wobei das erst der Anfang der Gasökonomie im Senegal sein könnte. Südlich vor der Küste des Landes liegen zwei weitere Gasfelder, deren Ausbeutung geplant ist.

Die Regierung des Senegal setzt große Hoffnungen in diese neue Art der Energieversorgung. „Die meisten Menschen auf dem Land nutzen noch Holzkohle“, sagt Mamadou Fall Kane. Als energiepolitischer Berater des senegalesischen Präsidenten ist er im Januar 2023 per Video in eine Ausschusssitzung des Bundestages zugeschaltet. Etwa ein Drittel der Bevölkerung habe bisher keinen Zugang zu Strom, erklärt Kane auf Französisch. Das Gas betrachtet die Regierung deshalb als einen Schlüssel zur Entwicklung des Landes. Geplante Schritte: Das bisher in Stromkraftwerken als Brennstoff verwendete Schweröl wird durch Gas ersetzt, wodurch der Ausstoß klimaschädlicher Abgase sinkt. Neue Gaskraftwerke sollen die gesamte Bevölkerung mit Strom versorgen. Gas aus Gasflaschen ersetzt dann Holzkohle beim Kochen, was der Entwaldung entgegenwirkt. Senegal könnte mit eigener Energie seine Industrie aufbauen, beispielsweise die Produktion von Dünger. Schließlich spart der Staat Geld für importiertes Öl, kann andererseits aber eigenes Gas exportieren, was zusätzliche Einnahmen für den Haushalt bringt.

Die Klimaschutz-Organisation Fridays for Future (FFF) hält das Gegenteil für richtig. “Das Gas muss unter dem Meeresboden bleiben”, sagt Yero Sarr von FFF Senegal. Der Student der Physik und Chemie begründet das mit den potenziellen Schäden für die lokale Wirtschaft und das Weltklima. Unterstützung erhält er auch von der grünen Bundestagsabgeordneten und Energiepolitikerin Lisa Badum: „Senegal hat das Potenzial für eine Versorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie.“ Eine aktuelle Studie von Germanwatch und New Climate Institute belegt, dass genug Sonnen- und Windenergie produziert werden können, um den Wohlstand im Senegal zu steigern – auch ohne Erdgas.

Etwa 60 Kilometer südöstlich der am Meer liegenden Hauptstadt Dakar dehnt sich flaches, trockenes, wenig besiedeltes Land. Ockerfarbener, rötlicher Boden, einzelne Bäume, Sträucher, dazwischen große Neu- und Rohbauten, halbfertige Kreisverkehre, moderne Straßen – hier entsteht der neue Regierungssitz. Dann Strommasten, eine weiße Mauer, das Metalltor rollt zur Seite – Ankunft im Solarkraftwerk Diass.

Mame Ndiémé Ndong arbeitet seit 2016 beim staatlichen Stromunternehmen Senelec. Sie hat in Dakar studiert, ist Elektroingenieurin, spezialisiert auf erneuerbare Energie. „Das ist innovativ“, sagt sie und führt in die Schaltzentrale. Auf drei Bildschirmen sieht man, wie viel Strom die Anlage gerade produziert. Wegen der intensiven Einstrahlung und vielen Sonnenstunden ist die Ausbeute um bis zu 70 Prozent höher als in Mitteleuropa – obwohl draußen der Wind die Module ständig einstaubt, so dass deren typische blaue Farbe kaum zu sehen ist. In hunderten Meter langen Reihen sind die Energieplatten auf Pfosten montiert und liefern Energie, ohne dass irgendeine Ressource aus der Erde geholt und verbrannt werden müsste. Ungefähr einen Kilometer lang und 400 Meter breit ist das Gelände. Finanziert hat das zum guten Teil die KfW, die Entwicklungsbank der Bundesregierung.

„Da kommt der Traktor“, sagt Ndong. Sie trägt Jeans, weißes Kopftuch und dunkle Sonnenbrille gegen das brutal helle Licht. Rechts am Fahrzeug ist eine lange, rotierende Bürste angebracht, die die Photovoltaik-Module mit Wasser reinigt. Regelmäßig fährt ein Beschäftigter die Reihen ab, damit die Platten hohen Ertrag bringen.

Heute machen die erneuerbaren Energien gut 30 Prozent der installierten Kapazität zur Stromerzeugung im Senegal aus. Das sind rund 400 MW (Megawatt, Millionen Watt), weniger als ein Prozent der deutschen Solaranlagen. Mehr wäre durchaus möglich, auch viel mehr. „Wir haben genug Sonne und genug Land. Senegal ist dünn besiedelt“, sagt Ndong. Und ein Schritt in diese Richtung wurde gerade verabredet. Frankreich, Deutschland und weitere Staaten wollen Senegal 2,5 Milliarden Euro geben, damit der Anteil der Ökoenergien auf 40 Prozent steigt. Aber die Regierung lege Wert darauf, beides zu machen, sagt Ndong – Ökostrom und Erdgas parallel. Das sei eine „politische Entscheidung“. Von Senegals Energieministerin Aissatou Sophie Gladima ist bekannt, dass sie meint, ihr Land müsse auf „zwei Beinen“ laufen.

Braucht Senegal wirklich beides – Erdgas und erneuerbare Energie? Der ausschlaggebende Vorteil der Gasökonomie besteht in den zusätzlichen Erlösen, die anfangs 20 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen könnten. Denn ein großer Teil der fossilen Ressourcen des GTA-Feldes soll erstmal exportiert werden, wie Präsidentenberater Kane in einer Mail an die taz betont. Die später zu erschließenden Felder seien dann eher für den Eigenbedarf bestimmt. Wobei neue Gaskraftwerke und Pipelines, die der Versorgung der eigenen Bevölkerung dienen könnten, bisher nur auf dem Papier existieren.

„Großes Verständnis“ äußert SPD-Bundestagsabgeordneter Karamba Diaby, für das Interesse der Regierung, Geld einzunehmen, um es in Entwicklung zu investieren, in Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Straßen, Stromleitungen. Diaby wurde im Senegal geboren. Der dortige Wohlstand liegt, je nach Berechnung, bei drei bis acht Prozent des deutschen. „Der Begriff Energiewende bedeutet hier etwas anderes“, sagt Fabian Heppe, der Vertreter der grünen Heinrich-Böll-Stiftung in Dakar, „hier geht es zunächst um Energie für alle.“

Die Nachteile der Gasstrategie: erstens mögliche Korruption und ungerechte Verteilung des Reichtums. Negative Beispiele sind Nigeria und Angola. Zweitens: Deutschland und viele reiche Staaten wollen ihren Gasverbrauch verringern, um bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Investiert Senegal also in eine sterbende Technologie? Der wesentliche Nachteil besteht aber im zusätzlichen Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase infolge der Ausbeutung des Erdgases.

Der Verzicht darauf macht den entscheidenden Vorteil der erneuerbaren Energien aus. Außerdem würden Öko-Kraftwerke zusätzliche Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung bringen, während die Gasökonomie die Fischerei bedrohe, erklärt FFF-Aktivist Sarr. Ein Nachteil der Erneuerbaren: Ökoenergie lässt sich auf absehbare Zeit höchstens in die Nachbarländer, nicht aber weltweit exportieren, was weniger Einnahmen im Vergleich zum Gas bedeutet.

Und welche Rolle spielt nun Deutschland in diesem Konflikt? Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Mai 2022 nach Senegal reiste, kündigte er zusammen mit Präsident Macky Sall Kooperationen bei der Gasförderung an. Die Reise fand kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine statt, Gas aus Osten sollte schnell ersetzt werden. Auch in diesem Jahr ist aus dem Bundeskanzleramt zu hören, dass der westafrikanische Staat ein potenzieller Flüssiggas-Lieferant sei. Präsidentenberater Kane schreibt, Senegal sei offen für Lieferungen nach Deutschland. Und laut ihrer geplanten, neuen Leitlinien für die staatliche Exportversicherung könnte die Bundesregierung Gasinfrastruktur in Senegal möglicherweise auch künftig finanziell fördern.

Praktisch ist, soweit bekannt, bisher aber nichts passiert. Deutschland kann seinen Gasbedarf ohne Probleme aus anderen Quellen decken. Grünen-Politikerin Badum fordert, den „Gasdeal mit Senegal nun endlich zu beerdigen“. In einem Streitgespräch mit Diaby im Spiegel sagt sie: „Die Welt braucht keine neuen Gasfelder.“ Diaby antwortet hart darauf: „Das ist neokoloniales Denken.“ Er will von seiner Koalitionskollegin wissen, warum ein reicher Staat wie Katar Gas fördern dürfe, ein armer wie Senegal aber nicht? Diese Frage stellen sich auch MitarbeiterInnen des Entwicklungsministeriums (BMZ) in Berlin. Dort weiß man, dass die Bevormundung anderer Regierungen keine gute Idee ist. Faktisch lässt sich das SPD-geführte BMZ deshalb auf eine Doppelstrategie ein: Gas und Erneuerbare. Wobei eine BMZ-Sprecherin betont: “Mit deutschen Entwicklungsgeldern wird keine Gasinfrastruktur finanziert.”

Nun könnte so weitergehen: Senegal beginnt bald, das Erdgas vor der Küste zu exportieren und gewisse Mengen selbst zu nutzen. Dabei spielt der kleine Anteil des Eigenverbrauchs für das Weltklima kaum eine Rolle. Denn das arme Land mit seinen 17 Millionen Menschen verursacht nur 0,07 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen.

Anders sieht es beim Export aus. Deutschland ist für etwa zwei Prozent der klimaschädlichen Abgase weltweit verantwortlich. Kaufen wir und andere reiche Staaten das Erdgas aus Westafrika, um das hiesige Wohlstandsmodell am Laufen zu halten, verschärft dies das Klimaproblem erheblich. So betrachtet liegt die Hauptverantwortung im Norden, nicht im Süden. Deshalb fordern viele Klimaaktivist:innen, dass die reichen Staaten ihren Verbrauch fossiler Energie deutlich und schnell einschränken müssten. Die Konsequenz dieser Forderung würde dann lauten: Das Gas des Senegal sollte eigentlich unter dem Meer bleiben. Daraus erwächst allerdings ein Dilemma: Mit den Exporteinnahmen fiele auch der Eigenverbrauch weg, denn mit diesem alleine lässt sich das teure Förderprojekt nicht finanzieren. Realistisch betrachtet wird das Gas also fließen.

Dazu passt diese Erwägung: Was passierte wohl, wenn Deutschland jetzt ein riesiges Gasfeld unter der Lüneburger Heide entdeckte? Ließe man den begehrten Rohstoff dort schlummern? Hypothetische Fragen. Realistische Antwort: Auch in diesem Fall würde das Prinzip Gegenwart das Prinzip Zukunft schlagen.

Zurück von der Bootstour in St.Louis wird nun der Außenbordmotor abgeschraubt und über den Strand nach Hause getragen. Indem er das Boot ausräumt, macht Moussé Ndiaye sich weiter Gedanken: „Für uns Fischer ist das Gas schlecht, für den Senegal aber ist es gut.“ Wenn man es jetzt schon gefunden habe, solle man es auch nutzen, meint der Mann, dessen Lebensunterhalt gefährdet ist.

Allerdings sei der Staat dann auch gefordert, das Geld gut zu investieren, sagt Ndiaye. Die Fischer bräuchten Hilfe bei den Lizenzen für die Fangfahrten in mauretanischen Gewässern. Und am besten würde neben der Sperrzone im Meer ein künstliches Riff aufgeschüttet, um die Einkommen der Fischer zu sichern. Solche Wünsche stießen bei der Regierung und BP bisher aber auf taube Ohren. Einer der Nachbarn, die Moussé beim Ausladen helfen, sagt: „Die Fischerei hat hier keine Zukunft. Ich hoffe, dass meine Kinder Staatsdiener werden.“
 

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