300 Euro Entlastung pro Haushalt

Wirtschaftsminister Glos präsentiert Energiesparprogramm, um die Bürger von den steigenden Kosten zu entlasten

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Von Hannes Koch

04. Sep. 2008 –

Stefan Kohler ist ein alter Weggefährte Gerhard Schröders, des ehemaligen Kanzlers der SPD. Trotzdem trat Kohler am Mittwoch zusammen mit Michael Glos auf, dem Wirtschaftsminister der CSU, und präsentierte dessen Vorschläge zum Energiesparen. Eigentlich sollte so etwas nichts Besonderes sein, denn als Chef der Deutschen Energieagentur (Dena) hat Kohler die Aufgabe, die Regierung im Sinne einer modernen Energieversorgung zu beraten. Und doch zeigte der gemeinsame Auftritt, wie nahe sich die beiden Regierungsparteien tatsächlich stehen – sieht man von Wahlkampf, Konkurrenzgehabe, Leiden an der großen Koalition und ein paar grundsätzlichen Streitpunkten ab.

Wie können die Bürger von den rapide steigenden Energiekosten zumindest teilweise entlastet werden? Diese Frage sollte die Projektgruppe Energiepolitisches Programm (PEPP) im Auftrag von Glos beantworten. Dena-Chef Kohler, Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und andere Wissenschaftler haben dies gestern auf 32 Seiten getan – und eine hoffnungsvolle Botschaft ausgesendet. „300 Euro Entlastung bei den Stromkosten für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt“ stellte Kohler in Aussicht. Er bezifferte die gegenwärtigen Stromkosten für einen Haushalt dieser Größe auf bis zu 900 Euro pro Jahr.

Um eine solche Entlastungswirkung zu erreichen, haben die Wissenschaftler Dutzende Vorschläge unterbreitet. Der publikumswirksamste stammt, glaubt man Kohler, von ihm selbst. Bürger mit geringem Einkommen, beispielsweise Bezieher von Hartz IV oder Wohngeld, sollen einen staatlichen Zuschuss von bis zu 150 Euro erhalten, um sich teure, aber sparsame Elektrogeräte leisten zu können. „Das allein senkt die Kosten um 80 Euro pro Jahr“, sagte Kohler.

200 Millionen Euro pro Jahr bis 2012 will Glos für den Energiespar-Bonus aufwenden – macht insgesamt rund 800 Millionen Euro. „Ich gehe davon, dass es dieses Jahr noch losgeht“, sagte Kohler. Zur Finanzierung sollen die Einnahmen aus dem Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten herangezogen werden.

Hinzu kommt eine Idee, die auch die SPD bei ihrer Präsidiumssitzung am kommenden Sonntag präsentieren will. Glos´ Energieberater raten, den privaten Energieversorgungsfirmen Anreize zu geben, damit diese bedürftigen Kunden Kleinkredite gewähren. Auch diese sollen dazu beitragen, die private Haushaltsausstattung zu modernisieren und die Abhängigkeit von teurem Öl, Gas und Strom zu verringern.

Minister Glos legte den Verbrauchern außerdem nahe, ihren Stromanbieter zu wechseln. In vielen Fällen könne man auch dadurch seine Energiekosten stark senken. Um mehr Transparenz und kostensenkende Dynamik in den Markt zu bringen, soll in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine neue Interessenstelle für Energieverbraucher eingerichtet werden. Das Ziel: Beratung in allen Fragen rund um´s Energiesparen. Termine für die Umsetzung der meisten Vorschläge kann der Wirtschaftsminister allerdings nicht nennen – zunächst will er mit seinen Kabinettskollegen diskutieren.

Von den konkreten Ideen abgesehen, enthält das 32-Seiten-Programm aber auch jede Menge Politikpoesie. Da ist die Rede von einem „Aktionsbündnis Energieeffizienz“ und einer „bundesweiten Spritsparinitiative“. Im Rahmen der letzteren möchte Glos die Autofahrer überzeugen, auf den Autobahnen ohne Tempolimit doch etwas langsamer zu fahren.

An solchen Punkten setzen die SPD und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel mit ihrer Kritik an. Glos habe viel Unverbindliches zusammengeschrieben, heißt es im Umweltministerium. Der Rest sei bei der SPD abgekupfert. Aus derartigen Äußerungen sprechen auch Ärger und Neid, dass der Wirtschaftsminister diesmal schneller war.

Ein paar substantielle Streitigkeiten zwischen Union und SPD bleiben freilich doch. Die wichtigste betrifft den Atomausstieg. Glos strebt an, die Laufzeit der Atomkraftwerke über den rot-grünen Atomausstieg hinaus von 32 auf 40 Jahre zu verlängern, um den billigen Atomstrom weiterhin zu nutzen. Einen Teil der Zusatzgewinne von bis 70 Milliarden Euro, die die Energiekonzerne dadurch vereinnahmen würden, möchte Glos in eine Stiftung für Energieforschung investieren. Dieses Ansinnen ging Dena-Chef Kohler dann doch zu weit. Der Atomkritiker stellte klar, dass er sich weiterhin für den Ausstieg stark mache.

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