Arktisexpedition
Forscher erhoffen wichtige Daten zur Klimaentwicklung
29. Aug. 2019 –
Auf diese Dienstreise wird sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek schon freuen. Sie führt sie demnächst in den Norden Norwegens. In Tromsø verabschiedet die Ministerin am 20. September die größte Arktisexpedition aller Zeiten. Für das Forschungsschiff Polarstern heißt es dann: Leinen los!. „Die Erkenntnisse werden unser Wissen über die Arktis auf ein neues Niveau heben“, ist sich die Ministerin sicher.
Das Projekt der Superlative trägt den etwas sperrigen Namen Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate (MOSAiC). Die Polarstern fährt zunächst ins ostsibirische Meer. Dort sucht sich Kapitän Stefan Schwarze eine große Eisscholle, an die das Schiff andockt, und lässt den Eisbrecher anschließend ein Jahr lang vom Eis einfrieren. Schiff und Mannschaft bewegen sich in dieser Zeit nur mit der Drift das Packeises und überqueren so den Nordpol.
Unterdessen ermitteln Forscher Daten für die Klima- und Umweltforschung. 600 Wissenschaftler aus 17 Nationen wechseln sich bei dieser Arbeit ab. Vier weitere Eisbrecher und Flugzeuge versorgen das Team. Helikopter, Raupenfahrzeuge und Schneemobile transportieren Menschen und Material rund um die Polarstern. Mit Bohrern treiben die Forscher bei Außentemperaturen von bis zu 45 Grad Minus Löcher ins bis zu vier Meter dicke Eis.
„Die Arktis ist das Epizentrum des Klimawandels“, sagt Expeditionsleiter Markus Rex, „die Zwei-Grad-Erwärmung haben wir schon jetzt überschritten.“ Als in Anfang der 90er Jahre die ersten Reisen dorthin unternahm, gab es rundum nur dicke Eisschichten. „Heute plätschert mir das flüssige Wasser vor den Füßen herum“, stellt er fest. Untersucht wird der Zustand des Eises, seine Stärke, sein Schmelzen. Im Ozean messen die Forscher die kalten oder warmen Strömungen, in der Luft die Eigenschaften der Wolken. „Damit haben wir ein ziemlich vollständiges Bild des arktischen Klimas im Fokus“, sagt Rex.
Messgeräte sinken durch die Bohrlöcher bis zu 4.000 Meter tief ins Polarmeer. Andere lassen mit Sonden bestückte Ballons bis in Höhen von 35.000 Metern fliegen. Insgesamt teilen sich 70 wissenschaftliche Institute aus aller Welt diese einmalige Datensammlung. Dass sich ihre Regierungen teilweise nicht gut verstehen, spielt im Eis keine Rolle. Mit China, den USA und Russland sind drei gerade nicht gut aufeinander zu sprechende Staaten mit von der Partie.
Nichts wird dem Zufall überlassen. Denn in der monatelangen Polarnacht ist die Arktis eine noch menschenfeindlichere Umgebung als in den hellen Monaten. Fachleute des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) testeten beispielsweise aufwändig Arbeitsanzüge. Sie müssen besondere Anforderungen erfüllen, damit ein Sturz ins kalte Wasser die Träger weder erfrieren lässt noch in die Tiefe zieht. Die größte potentielle Gefahr geht von hungrigen Eisbären aus. Die Bärenwacht gehört zum Pflichtprogramm in der Polarnacht.
Das alles kostet viel Geld. 140 Millionen Euro wurden für das einjährige Abenteuer Forschung veranschlagt. 90 Prozent der Kosten trägt Deutschland. Nicht alle beteiligten Nationen sind auch mit Wissenschaftlern vor Ort vertreten. Die Schweiz, Österreich und Südkorea kooperieren zum Beispiel nur mit dem AWI. Erkenntnisse erhoffen sich dessen Experten vor allem für die Entwicklung des Klimas. Diese hänge sehr stark vom „Geschehen in der Wetterküche der Arktis“ ab, sagt Expeditionsleiter Markus Rex, „wir erwarten auch für die Biologie ganz neue Erkenntnisse.“