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Alles gut

Kommentar zur Wirtschaftslage

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Von Hannes Koch

12. Aug. 2016 –

Auch in der Alltagssprache gibt es Konjunkturen. Manche Wörter oder Redewendungen werden dann zeitweise von so vielen Menschen benutzt, dass es auffällt oder sogar nervt. „Alles gut“ ist so eine Formulierung, die sich augenblicklich großer Wertschätzung erfreut. Sie dient der Zustandsbeschreibung, hat mitunter aber auch einen beruhigenden Unterton nach dem Motto: kein Grund zur Sorge. Insofern passt diese Beschreibung zur aktuellen Wirtschaftslage in Deutschland, die ziemlich positiv verläuft.


Jetzt ist es vielleicht an der Zeit, diesen Zustand einfach mal anzuerkennen und auf sich wirken zu lassen. Vor allem, weil anscheinend eine Krise die nächste jagt: Brexit, Putsch in der Türkei, Terror in Frankreich, Krieg in Syrien, Anschläge in Deutschland. In dieser Periode der Nervosität und Anspannung sei der Blick hierauf gelenkt: Wirtschaftlich erlebt Deutschland einen ruhigen, warmen Sommer. Die meisten Bürger brauchen sich keine Sorgen zu machen.


Quasi unbeirrt wächst die deutsche Wirtschaft weiter – im zweiten Quartal diesen Jahres wieder um 0,4 Prozent. Das klingt wenig, dürfte sich während des Jahres aber zu knapp zwei Prozent im Vergleich zu 2015 summieren. Die Bürger leisten sich etwas und kaufen ein, die Unternehmen erzielen vernünftige Umsätze im In- und Ausland. Der Staat hat genug Geld, um das Notwendige aus steigenden Steuereinnahmen zu finanzieren, ohne neue Schulden zu machen.


Und das Beste: Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt unentwegt zu. Mittlerweile sind 43,5 Millionen Menschen erwerbstätig – 529.000 mehr als ein Jahr zuvor, sagt das Statistische Bundesamt. In der Folge steigen auch die Löhne und Gehälter. Denn wegen einer gewissen Knappheit an Arbeitskräften müssen ihnen die Firmen mehr bieten.


Das fast schon pastorale Weltbild eines hoffnungslosen Optimisten? Sicherlich: Man kann hundert Risiken, Gefahren und Missstände aufzählen. Die aktuell niedrige Arbeitslosigkeit kann künftig wieder steigen. Trotz der guten Wirtschaftslage verfestigt sich hierzulande die Armut. Mindestens ein Fünftel der Bürger ist von der allgemeinen Entwicklung abgehängt. Millionen Arbeitnehmer gehen der Altersarmut entgegen, während Kapitalbesitzer nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Sparer bekommen keine Zinsen mehr für ihre Bankguthaben. Und um Deutschland herum sieht es nicht rosig aus. Frankreich und Italien stecken in einer Stagnation.


Aus vorhandenen Fakten aber mal ein positives Bild zu entwerfen, hat trotzdem Sinn: Es mag dazu beitragen, Stress zu verringern. Denn wirtschaftliche und soziale Angst müssen derzeit viele nicht haben, die sie tatsächlich verspüren. Diesen Eindruck zu akzeptieren, kann mäßigend wirken. Wenn es einem selbst gutgeht, ist manches keine Bedrohung mehr, was in schlechteren Situationen als Zumutung erscheint. Innenpolitisch, gerade vor den kommenden Landtagswahlen, schimmert daraus Hoffnung.

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