Atom-Risiko für Steuerzahler

Die Abwicklung der Atom-Energie kann 48 Milliarden Euro kosten, rechnet der Umweltverband BUND in neuer Studie vor. Damit sich die Energiekonzerne „nicht aus der Verantwortung stehlen“, sollen sie in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen.

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Von Hanna Gersmann

18. Sep. 2014 –

Dass es teuer werden wird – da sind sich alle einig. Spätestens in acht Jahren sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sein. Doch wer zahlt dann für den Abriss der Meiler und die Lagerung des strahlenden Mülls, der der Gesellschaft Jahrtausende erhalten bleibt? Hubert Weiger, der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, hat am Donnerstag vor „enormen Risiken für die Steuerzahler“ gewarnt. Er beruft sich auf eine neue Studie zur Finanzierung der Atomenergiekosten. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat sie im Auftrag des Verbandes erarbeitet.    
Dabei hat sich CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel eigentlich festgelegt. „Risiken auf Staat und Steuerzahler abzuwälzen, lehne ich ab“, erklärte sie vor wenigen Wochen in der FAZ. Die Unternehmen trügen die Verantwortung für die Entsorgung von Atommüll. Dafür bildeten sie Rückstellungen.
Tatsächlich haben die vier Atomkonzerne E.on, RWE, EnBW und Vattenfall in ihren Bilanzen bis Ende 2013 insgesamt 36 Milliarden Euro für Rückbau und Endlagerung ausgewiesen. Allerdings sind Rückstellungen keine Rücklagen. Sie liegen nicht auf einem separaten Konto. Vielmehr können die Unternehmen die Rückstellungen zum Beispiel am Kapitalmarkt oder in Unternehmensbeteiligungen investieren. Darum meint Swantje Küchler, eine der Autorinnen der Studie: „Das Geld ist nicht sicher“. Sie macht gleich mehrere Probleme aus.
Grundsätzlich hält sie die immense Summe von 36 Milliarden Euro noch immer für zu knapp bemessen. Die Kosten zur Abwicklung der Atomkraft schätzt sie grob auf 48 Milliarden Euro. Das ist mehr als bisher angenommen.
Aber vor allem treiben Küchler diese Fragen um: Was passiert, wenn ein Konzern pleite geht? Wieso veranschlagen die Konzerne unterschiedliche Summen? Wie rechnen sie? So habe RWE Atomrückstellungen von rund 1300 Euro pro Kilowatt gebildet, Vattenfall aber von gut 2000 Euro, meint Küchler. Das sei „nicht transparent“, es müsse eine „unabhängige Prüfung“ geben. Die Finanzierung der „Ewigkeitskosten“ der Atomenergie werden von der öffentlichen Hand nicht ausreichend kontrolliert, kritisierte der Energieexperte des BUND, Thorben Becker. Das sieht er nicht alleine so.
Die Landesregierungen Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz bringen an diesem Freitag einen Antrag in den Bundesrat ein. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Kosten für die Atom-Altlasten zu analysieren, die Höhe der Rückstellungen für jedes einzelne Kraftwerk zu prüfen und vor allem die Rückstellungen zu sichern. Etwa auch im Falle einer Insolvenz. Zudem heißt es: „Erweisen sich die Rückstellungen als unzureichend, soll die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass die Rückstellungen auf das angemessene Maß erhöht werden“. Der Antrag wird voraussichtlich angenommen. Er dürfte den Druck auf die Bundesregierung und die Atombetreiber erhöhen.
E.on, RWE und EnBw wollen, so schrieb vor einigen Wochen der Spiegel, offenbar ihr gesamtes Atomgeschäft an den Bund übergeben und ihre bisherigen Rückstellungen in eine Stiftung einbringen. Offiziell bestätigt ist das nicht. Die Konzerne wären dann aber auch alle Kostenrisiken los. Das kommt weder in der Umweltszene noch in der Politik gut an.  
Thorben Becker, der Energieexperte des BUND, sagte es am Donnerstag so: „Die Atomkraftbetreiber wollen sich aus ihrer Verantwortung stehlen“. Becker und seine Kollegen fordern, die Rückstellungen der Konzerne in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen, die Haftung für weitere Kosten aber bei den Unternehmen zu belassen. Die Ewigkeitskosten werden die Republik länger beschäftigen.

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