Atomkraftpanne hilft Ökostromanbietern

Politiker rufen Vattenfall-Kunden zum Wechsel auf / Neue Lieferverträge klappen mittlerweile problemlos

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Von Wolfgang Mulke

08. Jul. 2009 –

Die Stromkunden sollen durch einen Anbieterwechsel Druck auf den Stromkonzern Vattenfall ausüben, in dessen Kernkraftwerke Krümmel es erneut zu einer Panne gekommen ist. „Durch einen Anbieterwechsel kann man seinen privaten Atomausstieg vollziehen“, rät die Grüne Umweltexpertin Bärbel Höhn. Das Unternehmen brauche eine Quittung für Billig-Reparaturen und billige Nachrüstungen in Krümmel. Auch der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Hempelmann, verweist auf die Wechselmöglichkeit, wenn Kunden mit dem Verhalten ihrer Stromanbieter unzufrieden sind. Angesichts der Versäumnisse im Kernkraftwerk „kann man sich nur an den Kopf fassen“. „Jeder Stromwechsler zählt“, sagt Florian Noto, Sprecher einer von Umweltverbänden getragenen Initiative für den Atomausstieg.

Auf diese Idee sind die ersten Verbraucher auch ohne Aufruf gekommen. „Wir haben einen verstärkten Kundenzulauf“, berichtet Gero Lücking von der Geschäftsleitung des Ökostrom,-Anbieters Lichtblick. Die Zahl der Internetanmeldungen sei im Vergleich zur Woche vor dem Störfall um 70 Prozent gestiegen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die privaten Haushalte sich auf diese Weise gegen Vattenfall zur Wehrt setzen. Nach dem letzten schweren Zwischenfall in Krümmel 2007 kündigten über 200.000 Kunden in Hamburg und Berlin ihren Vertrag. Allein Lichtblick zählte dadurch 65.000 Neuanmeldungen.

„Guter Ökostrom kostet mittlerweile fast genauso viel, wie das Basisangebot von Vattenfall“, stellt Höhn fest. Trotzdem sind Stromlieferungen von Anbietern, die auf Sonnen- oder Windenergie setzen, teurer als herkömmlich erzeugte Elektrizität. Laut Lichtblick muss eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern im Jahr rund 20 Euro mehr für Ökostrom als für die Versorgung aus Kohle und Kernkraft bezahlen.

Der Wechsel des Anbieters ist für die Verbraucher mittlerweile unproblematisch. Die Formalitäten übernimmt in der Regel der neue Lieferant. Dazu benötigt das Unternehmen lediglich die Daten des Kunden sowie die Nummer des Stromzählers. Damit besorgt die Firma den Rest. Eine Pause bei der Stromversorgung ist ausgeschlossen. Je nach Kündigungsfrist wird der Vertrag nach etwa sechs Wochen umgestellt. Inzwischen hat bereits jeder fünfte Kunde in Deutschland wenigstens einmal den Tarif gewechselt, meist allerdings nur, um dabei etwas zu sparen.

Auch die großen Versorger bieten Tarife an, bei denen sich die Energie ausnahmslos aus erneuerbaren Quellen speist. Daneben haben sich aber auch vier kleinere Spezialisten herausgebildet, die bundesweit Ökostrom anbieten und von Umweltverbänden empfohlen werden. Neben dem Vorreiter Lichtblick sind dies die Elektrizitätswerke Schönau, Naturstrom und Greenpeace Energy.

Unterdessen bemüht sich Vattenfall vergebens um eine Begrenzung des Schadens, der durch einen defekten Transformator in dem Hamburger Atomkraftwerk (AKW) ausgelöst wurde. Das Unternehmen kündigte den Einbau neuer Trafos an und schickte den Leiter der Anlage in die Wüste. „Wir müssen jederzeit höchste Standards in Sicherheit und Technik in unseren Kraftwerken sicherstellen“, sagte der Chef von Vattenfall Europe, Tuomo Hatakka. Unterdessen werden allerdings auch aus Schweden wieder Vorwürfe gegen den Versorger laut. Behörden bemängeln dort Sicherheitsmängel am AKW Ringhals, das nun unter verschärfter Aufsicht steht.






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