Auch Atom-Eltern haften für ihre Kinder

Die Bundesregierung will sicherstellen, dass die Betreiber den Abbau ihrer Kernkraftwerke und die Endlagerung selbst bezahlen. Geht etwas schief, müssten aber doch die Steuerzahler einspringen

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Von Hannes Koch

14. Okt. 2015 –

Die vier deutschen Atomkonzerne - und nicht die Steuerzahler - sollen den Abbau der Kernkraftwerke und die Endlagerung des strahlenden Mülls bezahlen. Das will die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz sicherstellen. Diese Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

Warum regelt die Regierung die Atom-Haftung?

Bereits heute sind die Unternehmen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW verpflichtet, Kapital anzusparen. Nicht der Staat oder die Steuerzahler sollen die gigantischen Kosten tragen, sondern die Firmen selbst. Allerdings stecken die Konzerne wegen der Energiewende in finanziellen Schwierigkeiten. E.ON hat bereits beschlossen, perspektivlose Geschäftsfelder wie die Kohlekraftwerke in ein Tochterunternehmen auszulagern. Deshalb befürchtet die Regierung, die Atomkonzerne könnten sich aus ihren Haftungsverpflichtungen davonstehlen. Dem will sie vorbeugen.

 

Was steht im Gesetz?

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat es so formuliert: „Eltern haften für ihre Kinder“. Die vier Atomkonzerne dürfen sich also ihrer Verantwortung für die Kernkraftwerke nicht entledigen. Selbst, wenn sie diese verkaufen, müssen sie die Kosten für den Abbau und die Endlagerung weiter tragen. Diese Regelung sei wirksam bis weit nach 2050, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die Haftung soll erst enden, wenn das Endlager für hochradioaktiven Müll, das es heute noch nicht gibt, gefüllt und verschlossen ist.

 

Haben die Firmen das nötige Geld?

Die Wirtschaftsprüfergesellschaft Warth & Klein Grant Thornton sagt „Ja“. Sie hat die Finanzen der Atomkonzerne im Auftrag von Wirtschaftsminister Gabriel untersucht. Rund 38 Milliarden Euro hätten die vier Firmen bislang beiseite gelegt. Die Verzinsung einkalkuliert, reiche das, um Kosten von etwa 48 Milliarden Euro zu bezahlen.

 

Kann es teurer werden?

Ja. Das Wirtschaftsministerium schreibt selbst: „Diese Prognosen unterliegen naturgemäß großen Unsicherheiten.“ Beispielsweise weiß heute niemand, wie viele Milliarden Euro die Suche nach dem Endlager und seine Errichtung kosten. Die späteren Aufwendungen könnten „deutlich höher ausfallen“ als die Rückstellungen der Unternehmen, warnt etwa Thorben Becker vom Umweltverband BUND. Und Bärbel Höhn, die Vizechefin der Grünen im Bundestag, sagt: „Der Entwurf von Minister Gabriel löst nicht das Grundproblem, dass die Mutterkonzerne pleitegehen können.“ In beiden Fällen wären doch der Staat und die Steuerzahler gefragt. Ob es dazu kommt, wird man vermutlich erst in einigen Jahrzehnten wissen.

 

Gäbe es eine Alternative zur aktuellen Haftungslösung?

Unter anderem der BUND und die Grünen verlangen von der Regierung, sie solle einen Fonds einrichten. In diesen müssten die Atomkonzerne in den kommenden Jahren nach und nach Milliardensummen einzahlen. Dadurch lasse sich sicherstellen, dass mindestens ein Teil des Geldes vorhanden sei, wenn es gebraucht werde. Diese Variante wird vermutlich in den Diskussionen der Kommission eine Rolle spielen, die Gabriel mittels des Gesetzes ebenfalls etabliert. Experten unter der Leitung von Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) sollen die Atomfinanzierung weiter ausbuchstabieren.

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