Auch Hartz kann Langzeitarbeitslosigkeit nicht stoppen

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt wieder an. Unternehmen entziehen sich der sozialen Verantwortung

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Von Wolfgang Mulke

13. Sep. 2013 –

Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie lange nicht mehr. Das führen viele Fachleute und Politiker auf die Hartz-Reformen zurück. Mit dem Abschluss 2005 und der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld zum Arbeitslosengeld II, kurz Hartz IV getauft, sollten verkrustete Strukturen aufgelöst und damit vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt werden. Die Rechnung ist zunächst gut aufgegangen. Im vergangenen Jahr waren gut eine Million Erwerbstätige länger als ein Jahr auf Jobsuche. Seit 2005 hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen um ein Viertel verringert.

 

Das wichtigste Ziel der Reformen ist damit erreicht worden. „Der Kern der Langzeitarbeitslosigkeit ist aufgebrochen“, stellt Sabine Klinger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fest, doch „das hat seinen Preis.“ Denn damit einher gingen allenfalls moderat steigende oder sogar sinkende Löhne auf breiter Front. Leiharbeit, befristete Beschäftigungsverhältnisse oder geringfügige Tätigkeiten werden als Brücke in den Arbeitsmarkt angesehen, aber häufig schlecht entlohnt. Drei Viertel der Hartz-IV-Empfänger mit einem neuen Job bekommen weniger als zehn Euro in der Stunde. Ein Drittel nicht einmal 7,50 Euro.

 

Eine zweite Kehrseite zeigt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf. „Einem Großteil gelingt es nicht oder nur befristet, den Hilfebezug längerfristig zu überwinden“, kritisiert deren Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy. Zudem steigt der Anteil der Arbeitslosen, die nicht mehr von der regulären Arbeitslosenversicherung erfasst werden, weiter an. Zu Beginn der Reform 2005 wurden 57 Prozent von ihnen im Jobcenter betreut. Heute sind es fast 70 Prozent. Der DGB beklagt eine zunehmende Verarmung und Ausgrenzung der Langzeitarbeitslosen, die nach zwischenzeitlicher Beschäftigung immer wieder in das Hilfesystem zurückfallen.

 

Bedenkliche Signale erkennt auch das IAB. „Wir sehen die Gefahr, dass sich die Arbeitslosigkeit wieder verfestigt“, warnt Klinger. Offenkundig sind die Effekte der Hartz-Reformen mittlerweile ausgereizt, denn der Anteil der Langzeitarbeitslosen steigt wieder leicht an. Jetzt zeigen sich die Schwachpunkte, obwohl der Arbeitsmarkt seit Jahren bestens läuft. „Stellen und Bewerber passen oft nicht zusammen“, beobachtet Klinger. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) fällt ein harsches Urteil. „Wir brauchen Unternehmen, die sich der Menschen annehmen und auch soziale Verantwortung wahrnehmen“, sagt Sprecherin Anja Huth. Denn die Chancen auf einen neuen Job sind für Langzeitarbeitslose miserabel. Nur 17 Prozent können ohne Handicap auf Bewerbungstour gehen. Nur jeder zweite kann eine Ausbildung vorweisen. Da winken Arbeitgeber schnell ab.

 

Die speziellen Förderprogramme haben trotz klangvoller Namen nicht viel gebracht. ABM, SAM, Bürgerarbeit oder Ein-Euro-Jobs sind als Brücke zum ersten Arbeitsmarkt ungeeignet. „Das hat nichts mit dem wahren Leben zu tun“, räumt Huth ein. Nun will die BA umdenken und sich einerseits mehr um den Bedarf der Wirtschaft kümmern, andererseits aus den noch vorhandenen Fähigkeiten der Betroffenen die realistischen Beschäftigungsmöglichkeiten abzuleiten. Der DGB will sich dagegen nicht auf die Zusammenarbeit mit den Betrieben verlassen. Die Gewerkschaften fordern öffentlich geförderte Beschäftigung für Hartz-IV-Empfänger.

 

 

 

 

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