Bald dürfen Ehepartner auch ohne Vollmacht bestimmen

Bundestag will den Weg für gegenseitigen Beistand bei Hilflosigkeit freimachen. Betreuer und Vormunde sollen zudem besser bezahlt werden.

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Von Wolfgang Mulke

16. Feb. 2017 –

Ein Unfall oder eine plötzliche Krankheitsattacke können Ehepaare oder die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft über Nacht in schwere Nöte bringen. Denn ein eigentlich naheliegendes Recht haben sie bisher nicht: für den anderen mitzuentscheiden. Ein Beispiel zeigt, was das in der Praxis bedeuten kann. Der eine Partner ist nach einem Unfall bewusstlos. Die Ärzte würden operieren, wenn sie dafür die Zustimmung hätten. Doch der gesunde Partner darf diese Entscheidung nicht treffen. So wird zunächst gerichtlich ein Betreuer bestimmt. Bis dahin kann wertvolle Zeit vergehen.

Die bisherige Lösung des Problems besteht in einer Vollmacht, die sich beide Partner gegenseitig erteilen können. Dann ist die Rechtslage klar. Doch gerade jüngere Paare sind auf derlei Eventualitäten zu selten vorbereitet. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass der nächste Angehörige automatisch das Recht zu Entscheidungen erhält. Das hat auch eine Untersuchung der Central Krankenversicherung im Jahr 2014 gezeigt. Zwei Drittel der Befragten waren dieser Ansicht. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren gingen sogar vier von fünf Bürgern von diesem Rechtsirrtum aus.

Eine andere Untersuchung belegte, dass Menschen das Vertrauen in einem solchen Notfall ganz überwiegend in den Partner setzen. Eine große Mehrheit vertrat die Auffassung, dass Ärzte und Angehörige gemeinsam entscheiden sollen. Einen Richter wollen in dieser Frage nur die wenigsten vonnöten wissen. Die Ergebnisse der Studien haben die Politik wachgerüttelt. An diesem Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung das Gesetz „zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern“. Dieser Initiative des Bundesrates hat Justizminister Heiko Maas in dieser Woche noch mit einer Formulierungshilfe unterstützt, die von der Bundesregierung insgesamt beschlossen wurde.

Wenn das Gesetz in Kraft tritt, erhält der gesunde Ehe- oder Lebenspartner automatisch das Entscheidungsrecht, wenn der andere „bestimmte Angelegenheiten wegen Krankheit oder Behinderung nicht besorgen kann.“ Das Recht entfällt nur, wenn der andere dies vorab per Vollmacht anderweitig entschieden hat. Und dieser Beistand bezieht sich auch nur auf gesundheitsbezogene Notfälle. „Die Rechtslage wird der soziokulturellen Wirklichkeit angepasst“, heißt es im Entwurf der Neuregelung.

Die Vorsorgevollmacht wird dadurch nicht überflüssig. Denn sie wird zum Beispiel für die Regelung von Vermögensfragen oder den Zugang zum Konto benötigt. Bei einer längeren Handlungsunfähigkeit des einen Partners wird die Bestellung eines Betreuers in diesen Dingen erforderlich bleiben.

Eine gute Nachricht hat der Justizminister auch für Vormunde und Betreuer. Ihre Vergütung wird um 15 Prozent angehoben, der erste Zuschlag seit 2005. „Hier müssen wir der Einkommensentwicklung vergleichbarer Berufsgruppen Rechnung tragen“, sagt Maas. Eine bessere Vergütung käme zudem den Betreuungsvereinen zugute. Nur so könnten diese die Qualität ihrer Arbeit beibehalten.

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