Bald kommen die Züge pünktlich

Die Deutsche Bahn AG verspricht wieder einmal Verbesserungen. Vor der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch steht Vorstand Grube unter Druck

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Von Hannes Koch

14. Jun. 2016 –

Scheinbar ist alles in Ordnung: Drei Viertel der Reisenden sind mit der Deutschen Bahn AG zufrieden. Diese Zahl präsentiert das Unternehmen selbst. Wie passt sie zusammen mit dem schlechten öffentlichen Image des Schienenkonzerns? Jeder Bahnkunde kann über Verspätungen, kaputte Klimaanlagen im Sommer und nicht funktionierende Internetverbindungen im ICE berichten.

 

Die scheinbar widersprüchlichen Befunde passen gut zusammen. Denn andere Konzerne, die beispielsweise Autos, Smartphones oder Kühlschränken verkaufen, erreichen Werte von 90 Prozent. „Die Kundenzufriedenheit von 76 Prozent bei der Bahn ist ein Armutszeugnis“, sagt Verkehrsforscher Heiner Monheim, „gerade die mangelnde Zufriedenheit unter den Neukunden ist alarmierend.“

 

Auch die Stimmung in den Leitungsgremien des staatseigenen Verkehrsunternehmens ist schlecht. Wenn am Mittwoch der Aufsichtsrat tagt, geht es darum, dass Vorstandschef Rüdiger Grube die permanenten Probleme nicht in den Griff bekommt. Beispielsweise nimmt der Güterverkehr ab und verursacht Verluste. Der neue Bahnhof Stuttgart 21 wird teurer, die Bauarbeiten brauchen länger.

 

Deshalb steht der Vorstand unter zunehmendem Druck. Wird der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, in dem auch Vertreter der Bundesregierung sitzen, Grube vor dessen Vertragsende im Dezember 2017 ersetzen? Christian Böttger, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, sagt: „Wäre die Bahn ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen, müsste Grube wohl gehen. Aber sie ist ein Konzern unter starkem Einfluss der Politik.“

 

Noch kann sich der Bahn-Vorstand auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlassen, die zusätzliche Turbulenzen vor der Bundestagswahl vermeiden möchte. Unter anderem aus diesem Grund wird auch Ronald Pofalla, ehemaliger Chef von Merkels Kanzleramt und jetzt im Bahn-Vorstand, noch einige Zeit warten müssen, bis er die Nachfolge Grubes antreten kann.

 

Die Lage der Deutschen Bahn AG ist durchaus miserabel. Für das Jahr 2015 verbuchte der Konzern einen Verlust – erstmals seit zehn Jahren. Rote Zahlen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro wies die Bilanz aus. Und in diesem Jahr geht die Talfahrt weiter. Im ersten Quartal 2016 sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr.

 

Die Probleme sind vielfältig. Die Bahn transportiert weniger Güter und will darauf nun mit einem Sparprogramm reagieren. Gewerkschafter und Betriebsräte laufen Sturm. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet der Bahn, dass die Bundesländer weniger Transportleistung im Regionalverkehr bestellen. Zunehmend geben sie privaten Konkurrenten des Staatskonzerns den Vorzug.

 

Ein besonderes Thema ist der Neubau des Bahnhofs Stuttgart 21. Die wahrscheinlichen Kosten erreichen bereits jetzt die geplante Gesamtsumme von 6,5 Milliarden Euro. Das heißt: Der im Finanzierungskonzept enthaltene Kostenpuffer von 500 Millionen Euro ist aufgebraucht. Möglicherweise wird das Projekt bis zur Inbetriebnahme noch deutlich teurer. Diese verschiebt sich wohl um mindestens zwei Jahre auf 2023.

 

Viele Experten sind sich darin einig, dass die Verantwortung für die Probleme auch beim Vorstand der Bahn AG zu suchen ist. Weil jeder fünfte Zug verspätet fährt, sagt Bernhard Knierim vom Bündnis Bahn für Alle: „Die Unpünktlichkeit der Züge beruht vor allem auf Managementfehlern. Es wurden beispielsweise zu wenige Mittel in die Instandhaltung des Schienennetzes und der Züge investiert.“ Verkehrsprofessor Böttger sieht das ähnlich: „Für die großen Trassen wurde jahrelang zu wenig Geld aufgewendet. Um das zu beheben, sind mehr öffentliche Mittel nötig. Die Bahn kann diese Summen nicht selbst aufbringen.“

 

Damit ist auch die Politik angesprochen. Die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) machte in den 1990er Jahren aus den Staatsbetrieben Bundesbahn (West) und Reichsbahn (Ost) die privatrechtliche Aktiengesellschaft Deutsche Bahn AG. Diese sollte an die Börse gehen, verkauft werden, hohe Gewinne erwirtschaften und guten Bahntransport bieten. Heute zeigt sich: Das ganze Konzept funktioniert nicht.

 

„Ein verlässlicher öffentlicher Schienenverkehr ist unseres Erachtens Teil der Daseinsvorsorge und sollte nicht dem Prinzip der Gewinnorientierung unterworfen werden.“ So fasst Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die verbreitete Kritik zusammen. Er fordert, dass der „Bund dringend mehr Geld in die Schieneninfrastruktur investiert, um Transporte per Bahn gegenüber denen auf der Straße konkurrenzfähig zu machen.“

 

Wie schon oft in der Vergangenheit hat der Vorstand auch diesmal Besserung versprochen. „Bahn 2020“ lautet das Stichwort. So will man mit neuen Management-Modellen erreichen, dass mehr Züge pünktlich abfahren. Auch zusätzliche Investitionen sind geplant.

 

Verkehrsforscher Böttger überzeugt das allerdings nicht: „Ich kann noch kein wirkliches Programm zur Behebung der Mängel erkennen. Dass die Pünktlichkeit verbessert werden soll, erklärt die

Bahn jedes Jahr.“ Kollege Monheim fordert den Ausbau der wichtigsten Schienenknoten in Deutschland, damit mehr Züge schneller durch die Engpässe rollen. Und als Vision empfiehlt Kritiker Knierim: „Der Bund sollte eine Vereinbarung mit der Bahn schließen, welche Leistung sie zu erbringen hat, und was das kostet. Unter dem Strich könnte eine schwarze Null stehen. So macht das auch die Schweiz – mit großem Erfolg.“

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