Bei der Rente wird es eng

Gesetzliche Altersvorsorge reicht nicht, um Lebensstandard im Alter zu halten. Deutsche müssen zusätzlich vorsorgen

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Von Björn Hartmann

28. Okt. 2021 –

Reicht die Rente im Alter? Das fragen sich sicher viele der 38,7 Millionen Versicherten in Deutschland. Gut zwei Drittel vertrauen nur auf die staatliche Rente – und das wird im Alter nicht reichen. Sie müssen zusätzlich vorsorgen – über Riester-Rente oder betriebliche Altersvorsorge. Und für manchen reicht nicht einmal das, wie der Vorsorgeatlas 2021 zeigt. Überraschend: Auch Gutverdiener müssen noch zusätzlich sparen. Zudem gibt es große regionale Unterschiede. Und das System steuert auf große Finanzierungslücken zu.

Der Vorsorgeatlas 2021 untersucht aufgeschlüsselt nach Regionen, wie die Lage der künftigen Rentner ist. Erstellt hat den Atlas, der alle vier Jahre erscheint, das Forschungszentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg im Auftrag von Union Investment, der Investmentgesellschaft der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken. Sie gehört neben der Deutsche-Bank-Tochter DWS zu den großen Fondsgesellschaften Deutschlands. Ausgewertet wurden unter anderem der Mikrozensus 2018, Daten der Bundesbank und der Deutschen Rentenversicherung.

Wer nur auf die staatliche Altersvorsorge setzt, muss sich demnach später einschränken. Gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung und berufsständische Versorgung decken im Schnitt nur 48 Prozent des letzten Bruttoeinkommens ab. Nötig sind den Studienautoren zufolge 60 Prozent. Die Versicherten in der staatlichen Altersvorsorge müssen also zusätzlich Geld fürs Alter zurücklegen. Der durchschnittliche Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt zum Renteneintritt 1449 Euro.

Eine Möglichkeit, sich zusätzlich abzusichern, ist die Riester-Rente. Rund 16 Millionen Verträge gibt es inzwischen. Wer berechtigt ist, bekommt Zuschüsse vom Staat fürs Sparen. Vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen werden dem Atlas zufolge überproportional gefördert. Weitere Möglichkeiten sind die betriebliche Altersvorsorge und die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Alle drei bringen im Schnitt 18,7 Prozent des ehemaligen Bruttoeinkommens, wie der Atlas ausweist. Zusammen mit der gesetzlichen Altersvorsorge werden die nötigen 60 Prozent für eine entspannte Rentenzeit also übererfüllt.

Die Riester-Rente ist umstritten, Kritiker bemängeln zum Teil hohe Gebühren und geringe Leistungen und mahnen eine Reform an. Auch Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, wünscht sich eine Reform, vor allem mehr Flexibilität. Grundsätzlich hält er die Riester-Rente für unterschätzt, sie spreche die Gruppen an, die besonders vorsorgen müssten: Jüngere, Frauen, Menschen mit geringen Einkommen.

Wegen einer Besonderheit im deutschen Rentensystem kann es sein, dass diejenigen, die viel verdienen und einen Riester-Vertrag oder eine betriebliche Altersvorsorge haben, trotzdem unter der 60-Prozent-Marke bleiben. Der Grund ist die Bemessungsgrenze von 7100 Euro (West) und 6700 Euro (Ost), die die Beiträge zur Rentenversicherung deckelt. Der Rentenhöchstsatz kann dann deutlich niedriger sein als das letzte Bruttoeinkommen. Die Lücke kann auch ein Riester-Vertrag nicht ausgleichen. Diese Menschen müssen zusätzlich sparen, etwa über Aktien oder in dem sie eine Immobilie erwerben.

Wer mit gesetzlicher Vorsorge, Riester-Vertrag und zusätzlichem Sparen vorsorgt, „ist im Durchschnitt im Alter gut versorgt. Dafür ist jedoch mehr denn je Eigenverantwortung gefordert. Es reicht definitiv nicht, sich auf die erste Schicht und damit in erster Linie auf die gesetzliche Rente zu verlassen“, sagt Studienleiter Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum Generationenverträge. Einzige Ausnahme: Beamte. Sie sind im Schnitt durch ihre Pensionsansprüche ausreichend versorgt.

Auch regional gibt es große Unterschiede. So bekommen Rentner aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Oberbayern mit durchschnittlich 1657 Euro monatlich am meisten, in Teilen von Sachsen-Anhalt sind es mit 1257 Euro am wenigsten. Überhaupt fällt der Osten dem Versorgungsatlas zufolge im Vergleich vor allem zu Baden-Württemberg und Bayern zurück.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Riester-Verträgen, die monatlichen Beträge im Osten sind deutlich niedriger als im Westen. In Teilen Sachsen-Anhalts liegen sie bei 263 Euro, in Hamburg sind es 481 Euro. Und auch bei der betrieblichen Zusatzrente liegt vor allem Süddeutschland vorn, der Osten eher hinten. Die monatlichen Werte liegen zwischen 748 Euro (Hamburg) und 322 Euro im südlichen Mecklenburg-Vorpommern. einer der Gründe: Betriebliche Altersvorsorge bieten vor allem größere Firmen, von denen es in den strukturschwächeren Gebieten im Osten weniger gibt als in Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg.

Auch bei den Einkünften aus Geld- und Immobilienvermögen zeigt sich im Atlas: reicher Süden, armer Osten. Und auch hoch im Norden sieht es nicht ganz so gut aus. Das monatliche Zusatzeinkommen schwankt zwischen 166 Euro im Ostteil Berlins und 650 Euro in Oberbayern.

Die Zahlen beruhen darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. Weil aber immer mehr Menschen in Rente gehen, als die Arbeit neu aufnehmen, müsste der Beitrag von derzeit 18 auf mehr als 23 Prozent bis Mitte der 2030er Jahre steigen, oder das rechnerische Rentenniveau müsste von heute 48 auf unter 39 Prozent fallen, wie die Autoren des Atlas errechnet haben. Oder der Zuschuss des Staats zur Rentenversicherung müsste deutlich über die derzeit 30 Prozent steigen. Sie mahnen deshalb grundsätzliche Reformen des Rentensystems an.

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