Beschlossen, aber nicht abgesegnet

Kommentar zum Tarifeinheitsgesetz von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

22. Mai. 2015 –

Das Gesetz zur Tarifeinheit löst Unbehagen aus. Zwar haben Union und SPD es mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen des Bundestages beschlossen. Doch selten waren die Argumente gegen ein Vorhaben der Regierung so gewichtig. Ein Beleg dafür: Selbst einige der großen Arbeitnehmer-Organisationen wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und die Lehrervereinigung GEW, die von den neuen Vorschriften profitieren würden, lehnen sie ab.

 

Union und SPD wollen festlegen: Im Betrieb gilt der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft. Damit haben kleine Vereinigungen wie die der Lokführer, Ärzte, Piloten oder Fluglotsen wenig Chancen, Vereinbarungen durchzusetzen, die den Interessen einer Konkurrenzorganisation mit mehr Mitgliedern zuwiderläuft. Letztlich wird damit auch das Streikrecht der Kleinen eingeschränkt. Und beides zusammen läuft darauf hinaus, dass es für Arbeitnehmer wenig Sinn hat, sich einer neuen Gewerkschaft anzuschließen, die nicht schon die Mehrheit der Beschäftigten vertritt. Dies aber steht im Widerspruch zum Artikel 9 des Grundgesetzes: Dieser garantiert allen Staatsbürgern das Recht der ungehinderten Betätigung in Gewerkschaften ihrer Wahl.

 

Diesem Grundsatz einen höheren Stellenwert einzuräumen entschied 2010 das Bundesarbeitsgericht – und schaffte die bis dahin geltende Tarifeinheit ab, die die Regierung nun wieder einführen will. Während die obersten Arbeitsrichter für die Modernisierung und Liberalisierung des Tarifrechts plädierten, wollen die Spitzen von Union, SPD und Gewerkschaftsbund DGB zurück in die 1970er Jahre. Deswegen ist es kein Wunder, dass sich demnächst das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema wird beschäftigen müssen. Einige kleine Gewerkschaften haben schon angekündigt, Beschwerde einzureichen. Das Tarifeinheitsgesetz ist beschlossen, aber noch nicht abgesegnet.

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