Bier verliert
Die Inflation trifft das Getränk hart
01. Feb. 2023 –
Es beginnt mit einem Kronkorken. Kleines Teil, aber für die Bierindustrie recht wichtig. Der Preis hat sich binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Und auch Braumalz, Hopfen, Wasser, Flaschen, Transport – alles hat sich deutlich verteuert. Vor allem die Energiekosten belasten die Unternehmen. Für Bierfans bedeutet das: Die Preise werden wahrscheinlich weiter steigen. Und die Zahl der Brauereien sinken.
„Wir erwarten ein überaus hartes Jahr für die Branche, die zwar Erholungstendenzen zeigt, aber weiterhin von den Pandemiejahren gezeichnet ist und immer noch deutlich unter Vorkrisenniveau liegt“, heißt es bei der Radeberger-Gruppe, dem größten Brauunternehmen Deutschlands mit Marken wie Jever, Berliner Pilsner, Sternburg, Selters. Es gehört zum August-Oetker-Konzern. Der Ausblick ist auch nicht erbaulich: „Wir sehen keine Rückkehr zur Absatz- und Ertragssituation vor 2020.“
Der Deutsche Brauerbund hat gerade berechnet, wie sich die Preise rund ums Bier verändert haben. Billiger geworden ist praktisch nichts. Kronkorken plus 120 Prozent, Kohlensäure plus 90 Prozent, Braumalz plus 90 Prozent, Neuglas plus 70 Prozent. Bierfässer verteuerten sich demnach um 60 Prozent, Kisten um 40 Prozent. Kartonage, Sprit, Transport kosten mehr, selbst Etiketten. Bei Radeberger sprechen sie von „nie gesehenen Preisniveaus“. Die Kosten nahezu aller im Produktionsprozess benötigten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe seien geradezu explodiert.
Besonders drastisch zeigt sich das bei Energie. Und Brauen verbraucht viel Energie. Manche Hefe hat es gern etwas wärmer, andere dagegen eher kühler. Es wird gefiltert, gepresst, erhitzt, gekocht, gekühlt, vor allem mit Strom und Gas. Hier errechnete der Brauerbund für 2023 das Achteinhalbfache der Vorjahreskosten.
Hopfen, wesentlich für den Geschmack des Bieres, beziehen die Brauer überwiegend aus Deutschland. Kurze Wege, sehr gute Qualität. Wegen des Ukraine-Kriegs und höherer Energiepreise verteuerte sich Dünger, Sprit für die Maschinen kostete mehr. Und dann war der Sommer auch noch zu trocken und zu heiß – der Klimawandel trifft die deutschen Hopfenbauern. Alois Schapfl vom Hopfenverband sprach kürzlich vom schlechtesten Jahr der Branche. 28 Prozent weniger Hopfen wurde geerntet – vor allem in der bayerischen Hallertau, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt.
Deutschland ist nach den USA der größte Hopfenanbauer, 2021 lag der deutsche Marktanteil weltweit bei gut 41 Prozent. Mehr als zwei Drittel der Ernte werden exportiert. Wenn es nicht gut läuft, hat das also Folgen für den Weltmarkt. Und weil alle Brauer weltweit Hopfen brauchen, steigen bei geringerem Angebot die Preise. Das merken auch deutsche Brauer im laufenden Jahr. Im vergangenen Jahr mussten sie für Hopfen dem Brauerbund zufolge 35 Prozent mehr ausgeben.
Nun sind die Zahlen des Verbands Durchschnittswerte. Je nach Hopfensorte unterscheiden sich die Preise. Jedes Unternehmen hat andere Verträge. Und nicht alles, was für den Brauer teurer geworden ist, verteuert eine Flasche Bier besonders stark – etwa ein Kronkorken. Und vom Hopfen sind etwa 100 bis 200 Gramm je Hektoliter nötig – je nach Biersorte. Aber in der Summe kostet Bierbrauen deutlich mehr. Den Brauereien bleiben nur zwei Möglichkeiten: Sparen und Preise anheben.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge kostete Pils oder anderes untergäriges Bier Ende 2023 fast elf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Weizen und weitere obergärige Biere waren rund acht Prozent teurer. Radeberger, besser als der Markt durch 2022 gekommen, hat die Preise zum 1. Dezember angehoben. Wie es weiter geht ist offen. „Jetzt schauen wir erst einmal, wie Kunden und Konsumenten auf diese Veränderungen reagieren“, sagt eine Sprecherin. Und die zögerten zuletzt.
Auch wenn es vor der Corona-Pandemie recht gut lief: Die Biermenge, die die Bundesbürger Pro-Kopf trinken, sinkt: 2021 waren es 91,6 Liter mehr als ein Viertel weniger als 2000. Das reicht hinter Tschechien, Österreich und Polen noch für Rang vier in Europa, aber so richtig im Trend ist das Getränk nicht mehr. Und das, wo doch die Craft-Beer-Szene völlig neue geschmackliche Horizonte eröffnete.
Wenn höhere Preise nur schwer durchsetzbar sind, bleibt nur sparen, was oft bedeutet, zuzumachen. Wer denkt, es treffe nur die kleinen Brauereien, die keine Rabatte aushandeln können, weil sie nur kleine Mengen abnehmen, irrt. Radeberger etwa schließt die Traditionsbrauerei Binding in Frankfurt, die Keimzelle des Unternehmens.
Oettinger, bisher Deutschlands Nummer 3, schrumpft, streicht Produkte, die nicht so gut laufen, konzentriert sich auf das Kerngeschäft. Die Brauereigruppe aus Oettingen etwa 60 Kilometer südwestlich Nürnbergs beliefert auch nicht mehr ganz Deutschland – Transporte in den Norden und Westen der Republik sind zu teuer. Oettinger, bekannt für seine Niedrigpreispolitik, will daran offenbar unbedingt festhalten. Und beim Transport haben regionale kleine Brauereien Vorteile, heißt es in der Branche.
Wie teuer wird Bier? Schwer zu sagen 7,50 Euro für den halben Liter nannte kürzlich der Geschäftsführer der Klosterbrauerei Neuzelle in Brandenburg. Es sollte eine Drohung sein, ist doch für das Geld schon eine Kiste Oettinger oder Sternburg zu bekommen. Auf dem Oktoberfest 2022 kostete ein halber Liter zwischen 6,30 und 6,90 Euro, wobei traditionell nur Liter ausgeschenkt werden. Und Craftbiere kann schon mal 5,60 Euro je halber Liter kosten. Pils oder Exportbier für unter 50 Cent je 0,5 Liter dürften aber bald der Vergangenheit angehören.