Bitterer Wandel

Flüssiggasterminals sind nur eine Übergangslösung

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Von Björn Hartmann

16. Nov. 2022 –

In Wilhelmshaven zeigt sich dieser Tage: Deutschland kann Großprojekte schnell, korrekt und effizient abwickeln – wenn alle wollen. An der Nordsee ist gerade der erste Anleger für Flüssiggastanker fertig geworden. Bis das erste Gas anlandet, dauert es noch ein paar Tage. Weihnachten könnte es soweit sein. Gut 230 Tage vom ersten Spatenstich bis zur ersten Lieferung sind spektakulär schnell für deutsche Verhältnisse und derartige Infrastrukturprojekte. Das ist die gute Seite.

Die andere ist dramatisch: Jahrelang hat sich Deutschland auf Gas aus Russland verlassen, 2021 kam mehr als die Hälfte des Bedarfs per Pipeline aus Sibirien. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar galt es, diese Menge zügig zu ersetzen, damit es in Deutschlands Wohnungen nicht kalt wird und der Industrie nicht das Gas abgedreht werden muss. Vor allem letzteres hätte eine Wirtschaftskrise ungekannten Ausmaßen ausgelöst.

Sparen ist eine, wenn auch begrenzte Möglichkeit. Deutschland könnte auch mehr eigenes Gas fördern, doch zusätzliche Förderanlagen brauchen Zeit. Und die fehlt. Letztlich muss Deutschland also Gas per Schiff einführen. Bis Winter 2023/24 sollen etwas mehr als ein Viertel des deutschen Gasverbrauchs über Flüssiggasterminals anlanden können.

Sicher, die Bundesrepublik hätte früher und mehr in erneuerbare Energien und in Alternativen zum Erdgas investieren müssen, Wasserstoff etwa. Ideen gab es genug. Die unionsgeführten Vorgängerregierungen der Ampelkoalition haben das, wenn überhaupt, nur halbherzig betrieben. Und für die Wirtschaft war der Druck, sich um Alternativen zum Gas zu bemühen, gering. Dafür lieferte Russland per Pipeline einfach zu billig.

Ja, Flüssiggas (LNG) ist teurer als Pipelinegas, schon allein wegen des Transports per Schiff über die Weltmeere. Aber es ist kaum vorstellbar, dass Russland wieder so liefern wird, wie vor dem Angriff auf die Ukraine. Und es ist ebenso schwer vorstellbar, dass sich Deutschland wieder auf das billige Gas einlassen wird, denn Russland nutzt seine Energie als Waffe.

Vor allem die Industrie ist gezwungen, Ersatz für Erdgas zu finden. So, wie es aussieht, wird das grüner Wasserstoff. Weil Deutschland das Gas nicht in ausreichendem Maße selbst mit erneuerbaren Energien herstellen kann, muss es eingeführt werden. Die schwimmenden und später auch stationären LNG-Terminals können dann für Wasserstoff genutzt werden.

Es ist bitter, dass erst ein Krieg in Europa nötig ist, bis praktisch jeder die Dringlichkeit erkannt hat, vom Erdgas loszukommen, in erneuerbare Energien zu investieren und Alternativen wie grünen Wasserstoff zu fördern. Dafür dürfte sich die Energiewende in Deutschland jetzt endlich radikal beschleunigen. In der Übergangszeit brauchen wir weiter Gas und dafür sind die Flüssiggasterminals nötig.

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