„Boni korrumpieren...“

...sagt Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann

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Von Wolfgang Mulke

05. Jul. 2017 –

Die Millionengehälter der Dax-Vorstände sorgen für viel Kritik. Das hält der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann, Jahrgang 1961, auch für gerechtfertigt. Der Wissenschaftler ist Direktor des Berliner Instituts „Menschliche Marktwirtschaft“.

Frage: Sind die Millionengehälter der deutschen Vorstände ethisch noch vertretbar?

Ulrich Thielemann: Sie sind aus zwei Gründen ethisch hoch problematisch. Zum einen stellen sie eine unfaire Privilegierung der Führungsspitze dar. Zum anderen korrumpieren sie moralisch. Da die Akteure von selbst nicht von dieser Unsitte lassen, sollten die Vorstandsbezüge straffer reguliert werden. Vor allem sollte der variable Anteil der Vergütung deutlich reduziert werden. Denn es sind die variablen Vergütungsbestandteile, die Anreize für Manager setzen, skrupellos die als unstillbar angenommenen Gewinninteressen von Aktionären zu befriedigen. Es muss ja auffallen, dass die Kapitalseite im Grundsatz keine Einwände gegen das Regime dieser Millionenboni hat.

Frage: Ist die hohe Vergütung nicht leistungsgerecht?

Thielemann: Es ist abwegig anzunehmen, Vorstände könnten 100 Mal leistungsfähiger sein als die übrigen Beschäftigten. Hinzu kommt: Boni in der Größenordnung von Lottogewinnen fördern einen Rentabilitätsextremismus. Dieser geht über Lohndruck und Arbeitsverdichtung zu Lasten der Beschäftigten oder im Wettbewerb zu Lasten anderer Unternehmen. Aktionäre mögen dies als Erfolg werten. Für die immer mehr gestressten Beschäftigten ist es wohl eher das Gegenteil. Man sollte Erfolg anders begreifen, nämlich als gute Unternehmensführung. Natürlich muss sich ein Unternehmen im Wettbewerb behaupten, schon um seine langfristige Existenz zu sichern. Es sollte dabei aber nicht über Leichen gehen. Sondern eine echte Sozialpartnerschaft anstreben und auch die Folgen des Handelns für Dritte berücksichtigen. Wenn dies ernsthaft betrieben wird, kann sich dies durchaus auch in finanziellen Erfolgen niederschlagen. Man muss schon genauer definieren: Was wollen wir als Erfolg werten? Und wer erbringt welche Leistungsbeiträge für diesen Erfolg? Diese sind sodann fair, also leistungs- und belastungsgerecht zu vergüten.

Frage: Viele Berufsgruppen können nur schwer Lohnsteigerungen durchsetzen. Fehlt der Gesellschaft eine faire Bewertung von Arbeit?

Thielemann: Die Polarisierung der Einkommen schreitet voran. Ökonomen machen es sich hier zu einfach, wenn sie von der messbaren Höhe des Einkommens auf die erbrachte Leistung schließen. Nach dem Motto: Wer mehr verdient, muss produktiver sein. Wer weniger verdient, muss ein Minderleister sein. Dass einzelne mit ihren Millioneneinkommen nicht etwa zur gemeinsamen Wertschöpfung beigetragen, sondern von dieser abgeschöpft haben, wird so ausgeschlossen. Auch hierfür würde eine gesetzliche Begrenzung der Boni mäßigend wirken. Geringfügige variable Vergütungen würde es dann zwar noch geben. Aber sie hätten nicht mehr den Charakter von kalkulierbaren Anreizen, sondern von Belohnungen für herausragende Leistungen. Dann kann sich der Manager wieder auf die gute Erledigung seines Jobs konzentrieren, statt ständig darauf zu schielen, dass sein Bonus maximiert wird und möglichst höher ausfällt als der seiner Kollegen.

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