Bürger wünschen sich mehr Rad, weniger Auto

Umfrage zum „Umweltbewusstsein der Deutschen 2014“. Mehrheit betrachtet Wirtschaftswachstum inzwischen skeptisch

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Von Hannes Koch

30. Mär. 2015 –

Zweifel am Wirtschaftswachstum als Zukunftsstrategie hegen mittlerweile über zwei Drittel der Bundesbürger. Dies ist ein Ergebnis der repräsentativen Umfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland 2014“, die das Umweltministerium in Auftrag gab. Unsere Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen zu der Untersuchung, die alle zwei Jahre erneuert wird.

 

Was verstehen die Bundesbürger unter „gutem Leben“?

Die Meinungen zu diesem Konzept ließ Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) jetzt erstmals erfragen. 58 Prozent der Befragten stuften Gesundheit und die „Erfüllung existenzieller Grundbedürfnisse“ als wichtigste Merkmale eines guten Lebens ein. Dann folgten „in Familie oder Gemeinschaft geborgen sein“, sowie einen „hohen oder guten Lebensstandard haben“. Weiterhin wurden genannt mit 30 Prozent eine „intakte Umwelt“, mit 28 Prozent ein funktionierendes Gemeinwesen, ferner Selbstverwirklichung, sowie soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. Die Umwelt rangiert also hinter dem materiellen Indikator „Lebensstandard“.

 

Verschiebt sich die grundsätzliche Haltung?

Das Konzept des „guten Lebens“ beinhaltet die Relativierung des Wirtschaftswachstums als wichtigstem Anzeichen für gesellschaftliches Wohlergehen. Nachdem der Glaube daran durch die Finanzkrise ab 2008 wieder einmal erschüttert wurde, findet sich der Begriff selbst im Koalitionsvertrag von Union und SPD. In der Befragung des Umweltministeriums sagen nun zwei Drittel der Teilnehmer, dass statt der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts die „Lebenszufriedenheit der Menschen“ zum wichtigsten Ziel werden solle. Wie weitreichend dieser Stimmungswandel allerdings ist, erscheint unklar. Denn die Befragung ergab auch, dass sich kaum jemand vorstellen kann, wie man ohne Wachstum auskommt und trotzdem des Lebensstandard sichert.

 

Wie wichtig nehmen die Bundesbürger die Ökologie?

Auch bei der Frage nach den aktuell wichtigsten Problemen stehen die materiellen Anliegen auf den vorderen Plätzen. Mehr als ein Drittel der Befragten sehen die soziale Sicherung als zentrale Frage, vor Wirtschaft, Finanzen, Renten und Kriminalität/ Frieden. Dann folgt die Umwelt mit 19 Prozent - vor Themen wie Arbeitsmarkt, Zuwanderung und Bildung. Die 19 Prozent für Umwelt liegen ungefähr auf dem Niveau der Jahre seit 2000. Nur bei der vorhergehende Befragung 2012 stand das Öko-Thema mit 35 Prozent viel weiter oben. Der vermutliche Grund: Ein Jahr zuvor hatte sich die Atom-Katastrophe von Fukushima ereignet.

 

Umweltpolitik als Teil der Lösung?

Ministerin Hendricks meint, anhand der aktuellen Befragung einen „Bewusstseinswandel“ feststellen zu können. Schließlich würden mittlerweile 63 Prozent der Teilnehmer Umwelt- und Klimaschutz als Werkzeuge für die Bewältigung globaler Aufgaben betrachten. 56 Prozent sagen, Ökologie könne helfen Wohlstand zu sichern. Immerhin ein Drittel der Befragten sieht darin ein Mittel für mehr soziale Gerechtigkeit.

 

Gibt es Öko-Wünsche an die Politik?

Die große Mehrheit der rund 2.000 Befragten plädierte dafür, Städte und Gemeinden im Sinne ökologischer Mobilität umzugestalten. Die Fortbewegung mit öffentlichenVerkehrsmitteln, dem Rad und zu Fuß solle eine größere Bedeutung erhalten, die des Autos sinken. Die Bürger gaben jedoch an, tatsächlich vor allem mit dem eigenen Auto unterwegs zu sein. Dazu passt, dass sich heute drei Viertel der Bevölkerung durch Verkehrslärm gestört fühlen, den vor allem benzin- und dieselgetriebene Fahrzeuge verursachen. Individuell können sich viele vorstellen, auf den eigenen Wagen zu verzichten und Autos zu teilen (Carsharing).

 

Sind die Bürger bereit, nachhaltige Produkte zu kaufen?

Ja, und zwar mehr als früher. Über die Hälfte der Bundesbürger kennt beispielsweise das MSC-Siegel für schonend gefangenen Fisch und orientiert sich auch beim Kauf daran. Drei Viertel der Befragten wählen immer oder manchmal stromsparende Elektrogeräte und Lampen, wenn sie welche erwerben. Ähnlich sieht es aus bei Reinigungsmitteln und Papierprodukten. Anders ist die Lage jedoch bei Kleidung. Dort orientieren sich nur wenige Konsumenten an Umweltkriterien. Das allerdings liege nicht an der Trägheit der Verbraucher, sondern am geringen Angebot, sagt Maria Krautzberger, die Chefin des Umweltbundesamtes.

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