Bürgergeld statt Hartz IV

In den Koalitionsverhandlungen fordert die FDP die Abschaffung von Hartz IV. Union lehnt das ab. Möglicher Kompromiss: Arbeitslose dürfen mehr hinzuverdientes Geld behalten

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Von Hannes Koch

06. Okt. 2009 –

Viele Menschen werden sich die Augen reiben. Die FDP will Hartz IV abschaffen? So ist es. Mit dieser Position gehen die Liberalen in die Koalitionsverhandlungen über Arbeit und Soziales, die am Mittwoch erstmals stattfinden. Die FDP-Verhandler unter Leitung von Hermann Otto Solms und Dirk Niebel nehmen sich damit eines großen Themas an, das die deutsche Politik in den vergangenen Jahren umgetrieben hat wie kein zweites. Die Einführung von Hartz IV war eine der Ursachen für die Niederlage der SPD bei der jüngsten Bundestagswahl.


„Wir wollen Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen“, sagte Solms in einem Interview. CSU-Landesgruppen-Chef Peter Ramsauer und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wiesen diesen Vorstoß allerdings zurück. Er sehe keine Notwendigkeit, die Hartz-IV-Regeln grundsätzlich zu ändern, so Pofalla.


Die Liberalen wollen das „Hartz IV“ genannte Arbeitslosengeld II nicht ersatzlos streichen, sondern durch ein „Bürgergeld“ ersetzen. Dies soll dieselbe durchschnittliche Höhe haben wie die heutigen

Zahlungen, nämlich 662 Euro pro Erwachsenem und Monat. Die Leistungen für Erwerbslose und andere Transferempfänger will die FDP allerdings nicht mehr individuell an der jeweiligen Lebenslage bemessen, sondern pauschalieren. Deshalb könnten Personen, die heute mehr Unterstützung erhalten, später weniger Geld bekommen, weil beispielsweise ihre Wohnkosten nicht mehr in vollem Umfang anerkannt werden. Andererseits würden andere Leistungsbezieher möglicherweise aber besser gestellt.


Die FDP strebt an, viele der heutigen Sozialleistungen abzuschaffen und im neuen Bürgergeld zusammenzufassen. Setzten sich die Liberalen gegenüber der Union durch, würden unter anderem Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Sozialgeld, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter zugunsten des Bürgergeldes gestrichen. Dadurch soll das Sozialsystem einfacher und transparenter werden.


Außerdem will die FDP mehr Leistungsanreize setzen, damit Hartz-IV-Empfänger sich anstrengen, wieder aus der staatlichen Förderung herauszukommen. Deshalb sollen sie mehr Geld behalten können, wenn sie zum ALG II hinzuverdienen. Während Leistungsbezieher heute teilweise nur zehn Prozent des zusätzlich erarbeiteten Geldes behalten dürfen, wollen die Liberalen den Anteil auf bis zu 60 Prozent erhöhen. Dies würde allerdings zu Zusatzkosten für den Staat in Höhe „von zehn bis 20 Milliarden Euro“ führen, schätzt Bürgergeld-Spezialist und Grünen-Abgeordneter Wolfgang Strengmann-Kuhn.


Beim Hinzuverdienst scheint ein Kompromiss mit der Union möglich zu sein. Auch die CDU will die Summen anheben, die die arbeitenden Hartz-IV-Empfänger behalten dürfen. Darüberhinaus findet das Bürgergeld-Konzept der FDP aber wenig Zustimmung in der Union. Zwar ähnelt es einem Konzept des scheidenden CDU-Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus. Über das „solidarische Bürgergeld“ unterhält sich eine Arbeitsgruppe in der CDU seit langem. Ihre Tätigkeit hat in der Partei aber keinen großen Widerhall gefunden. Das macht es der Unionsspitze um Roland Pofalla nun einfacher, die Bürgergeld-Idee bei Seite zu schieben.

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