Bürokratie nimmt auch mal ab
Bestimmte Verwaltungskosten für Unternehmen sind gesunken, andere aber gestiegen. Das Joch der Bürokratie ist ein großes Thema im Wahlkampf. Vorschläge zur Entlastung liegen auf dem Tisch.
07. Feb. 2025 –
Erstaunliche Nachricht: Die Belastung der Unternehmen mit Bürokratie-Kosten hat in den vergangenen Jahren abgenommen – nicht zugenommen, wie ständig zu hören ist. Die Daten, die diese Entwicklung belegen, stammen vom Statistischen Bundesamt. Dessen Bürokratiekosten-Index liegt heute bei 97 Prozent des Wertes von 2012.
Dieser Befund steht in gewissem Gegensatz zur öffentlichen Debatte. Im Wahlkampf überbieten sich die großen Parteien mit Forderungen, wie sie Bürgerinnen, Bürger und Firmen vom drückenden Joch der Paragrafen zu befreien gedenken. „Wir starten den Bürokratie-Rückbau“, verspricht die CDU in ihrem Sofort-Programm. Selbst Grünen-Kandidat Robert Habeck will Gesetze „wegbolzen“. Das soll gut sein, Verwaltung dagegen schlecht.
Aber die Wirklichkeit ist etwas komplizierter, als ein schneller Blick auf den Index des Statischen Bundesamtes (Destatis) zu zeigen scheint. Denn der Index ist inflationsbereinigt. Das heißt: Die Kosten der Firmen wären heute etwas niedriger, wenn man die Preise von 2012 zugrundelegt. Die realen Ausgaben für staatlich verursachten Verwaltungsaufwand dagegen, die Firmenchefinnen und Konzernvorstände jetzt in ihren Bilanzen sehen, sind gewachsen. Betrugen sie 2012 ungefähr 45 Milliarden Euro pro Jahr, schlagen sie laut Destatis nun mit 67 Milliarden Euro zu Buche.
Außerdem stellt die seit 2012 leicht fallende Kurve – damals wurde die Überprüfung eingeführt – nur die Auswirkungen des Papierkrams dar, den Bundesregelungen und europäische Gesetze hervorrufen. Dazu gehören „das Stellen von Anträgen, Durchführen von Meldungen, Kennzeichnungen, Meldungen zu Statistiken oder die Erbringung von Nachweisen“. Dies ist aber nicht alles. Hinzu kommen die Kosten, die Unternehmen entstehen, wenn sie umsetzen, was die Bundesregierung wünscht, beispielsweise Investitionen tätigen und umweltfreundliche Maschinen anschaffen.
Diesen sogenannten Erfüllungsaufwand beziffert nicht Destatis, sondern eine zweite Behörde, der Nationale Normenkontrollrat (NKR) – selbst die Berechnung der finanziellen Folgen von Bürokratie führt zu ihrer Vergrößerung. „Für die Wirtschaft ist der jährliche Erfüllungsaufwand seit 2011 um 7,3 Milliarden Euro gestiegen“, sagt NKR-Vorsitzender Lutz Goebel. Zu diesen jedes Jahr wiederkehrenden Kosten werden noch einmalige Aufwendungen addiert, sodass die zusätzliche Belastung der Firmen 2024 rund 14 Milliarden Euro im Vergleich zu 2011 ausmachte.
Beide Größen zusammen, Bürokratiekosten plus Erfüllungswand, geben einen gewissen Eindruck, wo die Gesamtbelastung liegen könnte – wobei die Zahlen wegen unterschiedlicher Berechnungsmethoden nicht richtig kompatibel sind. Aber die rund 80 Milliarden Euro wären ungefähr zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung – nicht gerade wenig. Das Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung kommt mit einer anderen Berechnungsart sogar auf 146 Milliarden Euro jährlich, was etwa 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte.
Auch wegen der unklaren Zahlenbasis dreht sich die öffentliche Diskussion oft um gefühlte Werte, die eher der jeweiligen politischen Haltung entspringen. Wobei in den vergangenen Jahren tatsächlich neue gesetzliche Regulierungen hinzukamen, die zusätzlichen Verwaltungsaufwand in der Wirtschaft auslösten. Gerade in Zeiten, da sich die ökonomische Lage verschlechtert, kann das zu Unmut führen.
Beispielsweise zwei neue Regelungen waren laut Destatis und NKR in den vergangenen Jahren dafür verantwortlich, dass Unternehmen mehr Verwaltungsaufwand zu bewältigen haben. Laut der EU-Richtlinie zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit sollen Firmen nicht nur über ihre Finanzzahlen, sondern auch über die Folgen ihrer Geschäftspolitik für Umwelt und Menschenrechte berichten. Und national war das Gebäudeenergiegesetz von großer Bedeutung: Auf Privathaushalte und Betriebe kommen zahlreiche Vorschriften zu, die den Ersatz fossil betriebener Heizungen durch klimaschonende Techniken regeln. Den zusätzlichen Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft bezifferte der Normenkontrollrat in seinem Jahresbericht für 2023 mit 3,6 Milliarden Euro.
Um so etwas zu verhindern, existieren verschiedene Varianten. Die Regierung könnte auf weitere Gesetze verzichten, die das Leben oft komplizierter machen. Nachteil: Auf neue Probleme, neue Bedürfnisse der Bürger und ihre Wünsche nach Rechtssicherheit würde die Politik dann nicht reagieren. Meist eine gute Idee ist die Digitalisierung. Wenn der Reisepass bei der Stadt online beantragt werden kann, spart das Aufwand für alle. Auch bürokratische Verfahren aufzuräumen, kann helfen. So hat der NKR gerade vorgeschlagen, die Ausstellung von Pkw-Führerscheinen beim Kraftfahrtbundesamt zu bündeln. Und schließlich kommen allmählich sogenannte Praxischecks in Mode. Zusammen mit Betroffenen, Praktikern und Experten entrümpelte das Bundeswirtschaftsministerium gezielt Vorschriften, um den Bau von Solaranlagen zu beschleunigen.
In diesem Sinne hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich versprochen, den „Verwaltungsaufwand für Unternehmen um mindestens 25 Prozent zu senken“. Sie meint auch die umstrittene Berichterstattungsrichtlinie. Man darf gespannt sein, ob die Berichte nur vereinfacht oder quasi abgeschafft werden, wodurch Kapitalinvestoren Informationen fehlten, die sie zum Investieren brauchen.