Bundesamt warnt vor Nanoprodukten

Wirkung der Miniteilchen unzureichend erforscht / Partikel können in den Körper eindringen

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Von Wolfgang Mulke

21. Okt. 2009 –

Wahre Wunderwerke haben die Forscher der Industrie mit Hilfe der Nanotechnologie entwickelt. Lacke werden kratzfest, Socken bleiben ungeachtet der persönlichen Note des Trägers geruchsneutral, Kleidungsstücke weisen Flecken ab und Ketchup fließt, statt sich als schwerer Klecks auf die Pommes zu setzen. Industrie und Verbraucher setzen große Hoffnungen auf diese Erfindungen, die ein gewaltiges Potenzial versprechen. Die Fachwelt schätzt, dass Mitte des nächsten Jahrzehnts weltweit 1000 Milliarden Dollar mit den neuen Produkten umgesetzt werden.

 

Doch nun setzt das Umweltbundesamt (UBA) ein dickes Fragezeichen hinter die Technologie. Noch sei zu wenig über die Risiken bekannt, heißt es in einem nun veröffentlichten Hintergrundpapier der Behörde. „Die Verwendung von Produkten, die Nanamaterialien enthalten oder frei setzen können, sollte – solange ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt weitgehend unbekannt ist - möglichst vermieden werden“, rät das UBA.

 

„Die“ Nanotechnologie gibt es nicht. Vielmehr bezeichnet der Begriff den Einsatz kleinster Partikel für die Produktion aller möglichen Waren. Nanoteilchen eint ihre Größe. Lediglich einen milliardensten Meter misst so ein Partikel. Das entspricht etwa dem Durchmesser eines 40.000 Mal gespaltenen menschlichen Haares. Die Partikel ändern bei diesem Format die sonst von ihnen bekannten Stoffeigenschaften. Das macht ihren Einsatz schwer berechenbar und die Forschung, so stellt das UBA fest, steckt noch ganz am Anfang.

 

Die Fachleute im Bundesamt sehen gravierende gesundheitliche Risiken, weil die Minipartikel in den Körper eindringen und reichlich Unheil anrichten können. „Nanopartikel können in lebende Zellen gelangen“, warnen die Experten. Über die Atemwege, die Haut oder den Mund gelangen die Kleinstteilchen in den Körper. In der Lunge können sie Entzündungen auslösen und über das Organ vermutlich auch in den Blutkreislauf eindringen und so in andere Organe eindringen. In Tierversuche legen nahe, dass Nanopartikel die Tumorbildung befördern und das Erbgut schädigen könnten. Selbst in den Zellkern dringen die Partikel durch und lagern sich in den menschlichen Erbinformationen ein. „Die gesundheitlichen Wirkungen solcher möglichen Interaktionen sind noch völlig unbekannt“, räumen die UBA-Experten ein.

 

Diese Horrorszenarien müssen nicht eintreten. Es fehlt jedoch meist schlicht am notwendigen Wissen zur Einschätzung der Gefahren. Auch dies gilt nicht für alle Produkte. Als sicher werden zum Beispiel die Sonnencremes eingestuft, die Nanotechnologie als UV-Schutz und zum leichteren Hautauftrag enthalten. Gesunde Haut können die Partikel nach heutigem Erkenntnisstand nicht durchdringen. Auch gelten die Befürchtungen nicht für alle Partikel. Als ungefährlich erachten die Forscher zum Beispiel die Minipartikel, die fest in Materialien eingebunden sind.

 

Unklar sind laut UBA auch die Folgen des Einsatzes von Nanotechnologie für die Umwelt. Immer häufiger verwendet die Industrie zum Beispiel Silberpartikel für die Herstellung von Textilien. Die Teilchen wirken antibakteriell und saugen Körpergerüche auf. Doch bei jeder Wäsche halbiert sich bei den meisten Artikeln der Silbergehalt. Das Edelmetall gelangt so in den Wasserkreislauf. „Es gibt bisher noch keine Erkenntnisse, wie organische Nanomaterialien in der Umwelt abgebaut werden“, stellt das Amt fest. Das Gütesiegel „Blauer Engel“ sollten Nanoprodukte laut UBA nicht tragen, solange keine ausreichende Bewertung der Stoffe vorliegt.

 

Das Bundesamt verlangt vor allem mehr Forschung, damit die segensreichen Produkte auch bedenkenlos eingesetzt werden können. Die Industrie soll aussagekräftige Daten bereitstellen und vor allem über den Einsatz der Nanotechnologie informieren. Bislang gibt es keine Kennzeichnungspflicht für Nanoprodukte. Verbraucher können daher nicht erkennen, wo die Minipartikel eingesetzt werden.

 

 

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