Bundestag macht Weg zur Börsenbahn frei
Heftige Kritik der Opposition am Teilverkauf / Personalspekulationen sorgen für Wirbel
30. Mai. 2008 –
Nun hat auch der Bundestag die Weichen für einen Teilverkauf der Bahn gestellt. Nach heftiger Kritik der Opposition beschloss das Parlament am Freitag mit den Stimmen der Regierungsparteien den Börsengang des Unternehmens. Ein Gesetz, und damit die Zustimmung des Bundesrates, ist nicht erforderlich. Unterdessen geht das Geschacher um künftige Spitzenposten im Unternehmen los. Der Aufsichtsratsvorsitzende wies eine Meldung zurück, nach der der frühere Chef des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen, bald die privatisierten Betriebsgesellschaften der Bahn leiten soll.
Der vorerst letzte Schritt an die Börse entwickelte sich zum munteren und harten Schlagaustausch über die richtigen Weichenstellungen in der Verkehrspolitik. Heftige Kritik übten die kleineren Parteien vor allem am raschen Verfahren. Für die Linkspartei stieg Gregor Gysi in den Ring, der von einer Teilprivatisierung der Bahn nur Nachteile für die Kunden und Kommunen erwartet, schlechtere Verbindungen und höhere Preise. „Wir wollen ein Grundrecht auf Mobilität“, forderte Gysi eine bezahlbare Grundversorgung auf der Schiene und kündigte zudem eine Klage beim Verfassungsgericht an, weil der Bundestag an der Umwandlung der Bahn faktisch nicht beteiligt wurde.
Die Grünen und die FDP beklagten vor allem das Tempo, mit dem der Beschluss zustande kam. Grünen-Chef Fritz Kuhn warf der Regierung eine „gezielte Desinformation“ vor. Der Grund sind zwei wichtige, noch fehlende Verträge zwischen Bund und Bahn. Darin sollen einerseits die Beteiligungsverhältnisse, andererseits die Investitionsverpflichtungen ins Schienennetz geregelt werden. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Politiker von Union und SPD verteidigten den Börsengang. „Wir wollen eine gute Bahn, die Geld verdient“, sagte der SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer. Tiefensee versicherte, dass der Bund auch künftig allein über das Schienennetz herrsche.
Bahnchef Hartmut Mehdorn sprach nach dem Beschluss von „einem guten Tag für die Kunden, Steuerzahler und die Mitarbeiter.“ Anfang November sollen 24,9 Prozent der Anteile an den Betriebsgesellschaften der Bahn an die Börse gebracht werden. In dieser Gesellschaft namens DB Mobility Logistics werden die Personen-, Güter- und Logistikfirmen des Konzerns gebündelt. Die Deutsche Bahn AG bleibt als Mutterkonzern erhalten und zu 100 Prozent Eigentümer des 34.000 Kilometer langen Netzes und der Bahnhöfe.
Für Wirbel sorgten in der Parlamentsdebatte auch Personalspekulationen. Der Staatssekretär Joachim Großmann aus dem Verkehrsministerium, der maßgeblich an der Vorbereitung der Teilprivatisierung beteiligt war, und der Bahnabteilungsleiter unter ihm sollen angeblich Spitzenpositionen im Bahnkonzern einnehmen. Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich sieht in dieser Nähe schon Anzeichen einer „Bananenrepublik“. Kürzlich war erst Gewerkschaftschef Norbert Hansen in den Bahnvorstand berufen worden, nachdem er sich lange für die Teilprivatisierung stark gemacht hatte. Weit spektakulärer erschien am Freitag eine weitere Meldung. Danach sollte der frühere Vorstandschef von EmBW, Utz Claassen, den Chefposten der Börsenbahn übernehmen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Müller ließ die Nachricht aber prompt dementieren.