Chance für Entwicklung

Scheitern der WTO-Verhandlungen

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Von Hannes Koch

30. Jul. 2008 –

Das Scheitern der Welthandelsverhandlungen in Genf zeigt, dass sich die Gewichte in der globalen Ökonomie und Politik verschieben. Staaten wie China, Indien und Brasilien mit ihren 2,5 Milliarden Einwohnern machen nicht mehr alles mit, was auf der Tagesordnung der reichen Industrieländer steht. Inzwischen können es sich die Schwellenländer auch einmal leisten „Nein“ zu sagen. Denn indische Konzerne sind in der Lage, große Unternehmen in den USA und Europa zu kaufen. Und die Milliarden-Vermögen chinesischer Staatsfonds tragen dazu bei, die Immobilienkrise in den USA einzudämmen.

Damit schwindet aber nicht nur die relative Macht der alten Industrieländer, sondern auch ihr Modell der Globalisierung gerät unter Druck. Grundsätzlich bedeutet Liberalisierung zwar Freihandel für alle Beteiligten, doch oftmals wirkte sich der ungehinderte Verkehr von Gütern, Dienstleistungen und Kapital vor allem zugunsten der Starken aus. In Gestalt von transnationalen Unternehmen saßen diese in der Regel in den westlichen Industrieländern.

An einem kleinen Beispiel haben die Verhandler in Genf in den vergangenen Tagen erlebt, dass der alte Mechanismus nicht mehr so reibungslos funktioniert wie früher. Vor allem der Konflikt um die Agrarzölle war nicht zu lösen. Europa und die USA verfolgen das Interesse, ihrer hochproduktiven Ernährungsindustrie besseren Zugang zu den Märkten der Schwellenländer zu verschaffen. Dem Ziel der Zollsenkung, die den Import mit europäischen und amerikanischen Lebensmitteln erleichtern würde, wollte die indische Regierung aber nicht umstandslos zustimmen. Sie dachte auch an die Sorgen von Millionen indischer Kleinbauern, denen westliche Unternehmen mit dem Import billiger Nahrungsmittel Konkurrenz machen. An der Frage dieses Schutzes für die arme Landbevölkerung scheiterten die Verhandlungen schließlich – wenngleich auch andere Probleme bis zum Schluss ungelöst blieben.

Die jetzt gescheiterte Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO war 2001 nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York einberufen worden. Ihr Motto: Gerechtigkeit verhindert Terrorismus. Doch das Ziel, mittels Handel zur weltweiten Entwicklung beizutragen, wäre zu kurz gekommen, hätten sich die Industriestaaten in Genf durchgesetzt. In einem oder zwei Jahren besteht nun die Chance, neue Verhandlungen aufzunehmen, die die Bezeichnung „Entwicklungsrunde“ verdienen. Die Interessen der Schwellenländer werden dabei eine größere Rolle spielen als bisher.

Für die Wirtschaften der Industrieländer dürfte das Scheitern keine dramatischen Auswirkungen haben, wenngleich ein positives Zeichen in Zeiten der Immobilienkrise und steigender Energiepreise zur Entspannung beigetragen hätte. Langfristig aber profitieren die Unternehmen des Nordens mehr, wenn ein Welthandelsabkommen auch die Interessen des Südens widerspiegelt. Denn Handel ist niemals eine Einbahnstraße. Man braucht Verkäufer und Käufer, die über ausreichend Geld verfügen. Schaffen die Armen in Asien, Afrika und Lateinamerika den Aufstieg, so werden sie auf Dauer auf bessere Handelspartner.

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