Das Auto sucht sich selbst den Parkplatz

Die Vision selbstfahrender Autos wird langsam Wirklichkeit. Die „Daimler und Benz Stiftung“ rechnet mit beträchtlichen Folgen für Mensch und Gesellschaft

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Von Wolfgang Mulke

19. Sep. 2013 –

Bedächtig kurvt das die wuchtige Daimler-Limousine durch den Kreisverkehr, hält korrekt an einer Ampel und schlängelt sich sicher durch den Mannheimer Großstadtverkehr. Über 103 Kilometer führt die in diesem Sommer heimlich angetretene Fahrt nach Pforzheim. So hatte auch Bertha Benz 125 Jahre zuvor die Leistungsfähigkeit des ersten Autos der Firma bewiesen. Mit dem S-Klasse-Modell will Daimler nun wieder neue Maßstäbe setzen. Der Wagen steuerte sich selbst durch Städte und über Landstraßen hin zum Ziel. Autonomes Fahren lautet das neue Credo des Nobelherstellers. „Wir glauben, diese Technologie wird elementar sein“, sagt Daimler-Vorstand Thomas Weber.

 

Mehr als 20 Assistenzsysteme helfen dem Fahrzeug beim Beschleunigen und Bremsen, Weg finden und Unfälle vermeiden. Stereokameras erzeugen ein dreidimensionales Umgebungsbild, acht Radarsysteme gleichen ihre Daten mit digitalen Straßenkarten ab. Irgendwann soll das selbstfahrende Auto mit dieser Technik zum Normalfall werden. Perfekt funktionierte die Testfahrt noch nicht. Gelegentlich musste der Fahrer doch eingreifen. Dann zeigte das System Schwächen. Dass eine ältere Dame am Zebrastreifen freiwillig den Wagen durchwinkt, kann das Fahrzeug nicht erkennen und bremst ab. Auch ein Engpass, der durch eine Fahrt über den Bürgersteig passiert werden soll, überfordert die Technik. Aber insgesamt sind die Entwicklungsingenieure zufrieden. Weber rechnet mit schnellen Fortschritten bei der Entwicklung, bei der deutsche Hersteller weltweit führend sind. „Wir werden 2020 schon sehr viel weiter sein“, versichert der Vorstand.

 

Selbstfahrende Autos würden das Mobilitätsverhalten komplett verändern, wie ein paar Beispiele zeigen. Hier sucht sich ein Auto selbst den Parkplatz, nachdem es den Besitzer zuhause abgeliefert hat. Dort fährt ein Car-Sharing-Wagen pünktlich beim Kunden vor. Am Ende muss noch nicht einmal ein Fahrgast dabei sein, wenn das Auto tanken fährt und anschließend von der Apotheke eine Lieferung abholt. „Autonome Fahrzeuge lassen erhebliche Effiziengewinne erwarten“, glaubt Markus Maurer von der TU Braunschweig.

 

Gemeinsam mit drei weiteren Professoren aus Deutschland und den USA untersucht Maurer im Auftrag der Daimler und Benz Stiftung die gesellschaftlichen Folgen, sollte diese Technologie einmal in großem Stile auf den Straßen sein. Denn am Ende wird die Akzeptanz bei den Bürgern über den Einsatz entscheiden. Über 200 Fragen haben die Forscher zusammengetragen, deren Antworten noch längst nicht absehbar sind. Dazu gehört zum Beispiel der rechtliche Rahmen. Wer haftet für Schäden, wenn das Fahrzeug doch einmal ein Unfall verschuldet? Sind selbstfahrende Autos überhaupt zulassungsfähig? Wie gewährleistet man den Datenschutz, wenn zahlreiche Assistenzsysteme permanent via Internet und Ortungstechnik Informationen liefern?

 

Das Thema Sicherheit ist der zweite wesentliche Aspekt. Die Experten erhoffen sich wesentliche Fortschritte bei der Unfallbekämpfung. Weltweit sterben jährlich eine Million Menschen im Verkehr. Die Zahl könnte durch deutlich sinken, wenn der Fehlerfaktor Mensch beim Fahren ausgeschaltet wird. Ganz verschwunden sei er aber auch dann nicht, bedauert Christian Gerdes von der Stanford University. An die Stelle der Fehler des Fahrers rücke der des Programmierers, befürchtet er.

 

Offen ist auch, ob die potenziellen Kunden überhaupt auf den eigenen Einsatz am Lenkrad verzichten wollen. Umfragen ergeben ein gemischtes Bild, von der verbreiteten Skepsis gegenüber der Funktionsfähigkeit der Technik bis hin zum Wunsch, im Stau oder auf der Autobahn nicht mehr selbst gefragt zu sein. So bleibt den Ingenieuren und Wissenschaftlern noch jede Menge Arbeit, bevor die ersten vollautomatischen Fahrzeuge über die Straßen rollen. Selbst vergleichsweise kleine Probleme stellen sie vor eine große Herausforderung. „Das schwierigste ist das absolut sichere Erkennen von Ampeln“, berichtet Weber. Einfaches Schneegestöber, Nebel oder Sichtbarrieren könnte am Ende die Vision des intelligenten Autos zunichte machen.

 

Die Daimler und Benz Stiftung ist mit einem Kapital von 125 Millionen Euro ausgestattet und zählt zu den zehn größten Wissenschaftsstiftungen Deutschlands. Sie fördert junge Wissenschaftler, fachübergreifende Kooperationen und Forschungen. Mit 1,5 Millionen Euro unterstützt die Stiftung das Projekt Villa Ladenburg, in dem Wissenschaftler zwei Jahre lang die Einführung autonomer Fahrzeuge untersuchen.

 

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