Das Ende der Großzügigkeit naht

Euro-Fiskalpakt: Die Bundesländer könnten bald auf dem Trockenen sitzen. SPD-Länder protestieren

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Von Hannes Koch

09. Mai. 2012 –

Mehr Kita-Plätze? Nein, weniger. Ein neues Gewerbegebiet mit zusätzlichen Arbeitsplätzen am Stadtrand? Wird gestrichen. Der Begriff „Schuldenbremse“ könnte für die Bürger in den kommenden Jahren eine ganz neue Bedeutung erhalten. Denn der europäische Fiskalvertrag, den Kanzlerin Angela Merkel vorantreibt, bedroht den finanziellen Spielraum der Bundesländer und Kommunen.

„Möglicherweise führt der Fiskalvertrag zwischen 2014 und 2019 zu einer Verschärfung der deutschen Schuldenbremse“, sagte Angelica Schwall-Düren, die nordrhein-westfälische Europa-Ministerin, gegenüber dieser Zeitung. Auch ihr Partei-Kollege Carsten Schneider, Haushaltsexperte der SPD, sieht das so: „In der bisherigen Form des Fiskalpaktes droht die europäische Sparpolitik den Druck auf die deutschen Länder, Städte und Gemeinden zu verstärken.“

Durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sind die Länder sowieso verpflichtet, spätestens im Jahr 2020 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Sollte der EU-Fiskalvertrag wie geplant beschlossen werden, kommen jedoch einige Regelungen hinzu – unter anderem ein Verfahren, um die alten Staatsschulden zu reduzieren.

Deutschland muss demnach seine gesamte Schuldenlast jährlich um rund 25 Milliarden Euro verringern. Wenn die Wirtschaft um zwei Prozent pro Jahr oder mehr wächst, ist das kein Problem, dann schrumpft der Schuldenberg quasi automatisch. Betrüge das BIP-Wachstum beispielsweise 2015 aber nur ein Prozent – was eine ziemlich normale Größenordnung ist – würde es schon eng.

Ein Prozent Wachstum entspricht zwar etwa den 25 Milliarden Euro, um die die Altschulden sinken sollen. Gegenrechnen muss man aber die neuen Schulden, die arme Länder wie NRW, Schleswig-Holstein oder Berlin auch dann noch brauchen. Das heißt: Zum Ausgleich müsste mancher Landeshaushalt möglicherweise erheblich gekürzt werden. Kein Mehr, sondern ein Weniger wäre angesagt. Eigentlich sinnvolle Maßnahmen wie die vorsorgende Sozialpolitik der SPD in Nordrhein-Westfalen wären dann Illusion.   

CDU-regierte Länder wie Hessen teilen diese Sorgen offiziell nicht. Offen ist aber, wie sie sich zum Antrag der SPD-regierten Länder verhalten, den diese am kommenden Freitag im Bundesrat zur Abstimmung stellen. In der aktuellen Version heißt es: „Der Bundesrat sieht bei der Umsetzung des Fiskalpaktes noch erheblichen Klärungsbedarf.“ Die politische Konsequenz daraus formuliert NRW-Ministerin Schwall-Düren so: „Ein Beschluss vor der Sommerpause ist schwer zu erreichen.“  

In der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs sieht man das ähnlich. Europa-Minister Peter Friedrich (SPD) betont: „Wir werden als Bundesrat nicht einer buchstäblichen Katze im Sack zum Verfassungsrang verhelfen.“ SPD-Finanzminister Nils Schmid ist etwas entspannter. Er weist daraufhin, dass Deutschland gegenwärtig auf einem guten Weg sei, auch die Verringerung der alten Schulden zu schaffen.   

Was aber, wenn nicht? Dann tritt möglicherweise Plan B in Kraft, den die SPD in Landesregierungen und Bundestag bereits ausarbeitet. Er heißt „Steuererhöhungen“. Auch dieses Thema steht bereits am Freitag auf der Tagesordnung des Bundesrates. Die SPD-Länder wollen den Spitzensatz der Einkommensteuer auf 49 Prozent anheben. Weitere Vorschläge dieser Art werden folgen – etwa zu einer höheren Besteuerung großer Vermögen. Irgendwoher muss das Geld zur gleichzeitigen Einhaltung der Schuldenbremse und des Fiskalpaktes schließlich kommen.

Info-Kasten
Staatsfinanzen bis 2016
Die Bundesregierung sieht kein Problem, dass Deutschland sowohl die nationale Schuldenbremse, als auch die Schuldenreduzierung laut europäischem Fiskalvertrag schafft. So steht es im Stabilitätsprogramm 2012. Demnach soll das Finanzierungsdefizit von Bund und Ländern bereits 2015 im Saldo nahe Null sinken. Die Gemeinden erwirtschaften dann einen leichten Überschuss, lautet die Hoffnung, die auf ausreichenden Wachstumsraten basiert.

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