Das Ende des Goldregens

Seit Montag gibt es keine Investmentbanken mehr an der New Yorker Wallstreet. Morgan Stanley und Goldman Sachs wandeln sich um. Abschied vom Geschäftsmodell der Superrendite

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Von Hannes Koch

22. Sep. 2008 –

Der Name der kleinen Straße im Süden Manhattans wird als Ortsangabe erhalten bleiben. Als Synonym für den Erfolg der Investmentbanken hat die Wallstreet aber ausgedient. Am Wochenende entschieden die beiden letzten unabhängigen Investmentbanken, Morgan Stanley und Goldman Sachs, sich in normale Banken umzuwandeln.

 

Damit existiert keine der ehemals fünf großen Investmentbanken mehr in der alten Form. Lehman Brothers ist bankrott, Bear Stearns wurde von J.P. Morgan Chase übernommen, Merrill Lynch von der Bank of America. Die Immobilien- und Finanzkrise brach vor einem Jahr aus, weil Banken schlecht besicherte Immobilienkredite in riskante Wertpapiere umgewandelt und weiterverkauft hatten. Diese verloren massiv an Wert.

 

Morgan Stanley und Goldman Sachs haben nun ihren Sonderstatus aufgegeben. Bisher handelten sie ausschließlich mit Wertpapieren und lebten vom Geschäft mit Firmenkäufen und -verkäufen. Wegen milliardenteurer Verluste und dem Wertverfall ihrer eigenen Aktien trägt dieses Modell jedoch nicht mehr. Die beiden Institute wandeln sich deshalb in Geschäftsbanken um und bieten künftig auch normale Konten an. Der Vorteil: Sie können frisches Kapital von Privatleuten erhalten. Allerdings müssen sie sich auch der schärferen Kontrolle durch die US-Behörden unterziehen, die ihnen bislang erspart geblieben ist. Die Regierung sichert den Übergang mit Krediten für die beiden Banken ab.

 

Mit der Abkehr vom reinen Investmentbanking nehmen die Institute auch Abschied von ihrem ehrgeizigen Gewinnmodell. Mit risikoreichen Geschäften und hohen Provisionen trieben die Investmentbanken ihre Profite in erstaunliche Höhen. Renditeziele von 30 Prozent im Vergleich zum eingesetzten Eigenkapital galten als erstrebenswert. Goldman Sachs bezahlte seinen 26.000 Mitarbeitern 2006 rund 16 Milliarden Dollar als Gehälter – durchschnittlich 615.000 Dollar pro Kopf.

 

Andere Banken nahmen sich ein Beispiel an dieser Entwicklung. Unter Vorstand Josef Ackermann erzielte die Deutsche Bank 2006 eine Eigenkapitalrendite von 30 Prozent. Der Finanzmarkt koppelte sich zunehmend von der Realwirtschaft ab: Die tatsächliche Weltwirtschaft von Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen wuchs nur mit fünf Prozent pro Jahr. China mit seinen über zehn Prozent Wachstum war ein positiver Ausreißer.

 

Im Rückblick halten Ökonomen die hohen Gewinnziele für übertrieben. „Die Erwartungen werden jetzt moderater“, sagt Gernot Nerb vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München. „Hochspekulative Finanzprodukte sind vorläufig nicht mehr vermarktbar“, so Nerb. Für die Zukunft plädiert er dafür, riskante Geschäfte einzuschränken und gesetzlich stärker zu regulieren.

 

Ähnlich sieht es sein Kollege Peter Bofinger, der als Mitglied des Sachverständigenrates die Bundesregierung berät. Bofinger spricht sich dafür aus, „Rating-Agenturen zu verstaatlichen“. Die bislang privaten Firmen bezeugen die Qualität von Wertpapieren. Ihr Fehlurteil wird dafür verantwortlich gemacht, dass Papiere auf der Basis von minderwertigen Immobilienhypotheken gute Noten bekamen. Außerdem schlägt Bofinger ein „globales Kreditregister“ vor. Künftig müssten die Banken ohne Ausnahme offenlegen, welche Art von Verbindlichkeiten sie in ihren Büchern führen. Die Immobilien- und Finanzkrise war auch dadurch ausgelöst worden, dass Finanzinstitute risikoreiche Wertpapiere in Tochterfirmen auslagerten, die nicht in den Bilanzen auftauchten.

 

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