Das Geld reicht – auch für Flüchtlinge
Dank der guten Wirtschaftslage plant die Regierung sechs Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben ein, finanziert aus Überschüssen ohne neue Schulden
07. Sep. 2015 –
Aus den Haushaltsüberschüssen diesen Jahres will die Koalition sechs Milliarden Euro abzweigen, um damit 2016 unter anderem Unterkünfte und Sozialleistungen für Flüchtlinge zu finanzieren. Der Entwurf des Bundeshaushaltes, den der Bundestag diese Woche berät, wird entsprechend geändert. Die bisher beschlossenen Ausgaben für Steuersenkungen, Investitionen, höhere Entwicklungshilfe und Steuerentlastungen stünden aber nicht in Frage, sagte Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Union.
Die zusätzlichen Ausgaben gehen etwa zur Hälfte an die Kommunen, die davon unter anderem die Unterbringung der 800.000 Einwanderer finanzieren sollen, die alleine in diesem Jahr erwartet werden. Weitere drei Milliarden Euro wird der Bund ausgeben. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rechnet mit Aufwendungen in dieser Höhe unter anderem für Sprachkurse und Hartz-IV-Leistungen. Viele Flüchtlinge werden zunächst nicht arbeiten können.
Das Innenministerium plant in den kommenden drei Jahren 3.000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei ein. Diese sollen zum Teil die Länderpolizeien entlasten. Ob der tatsächliche Finanzbedarf die sechs Milliarden Euro übersteigt, ist noch nicht klar. Die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen unter Winfried Kretschmann (Grüne), Stephan Weil (SPD) und Hannelore Kraft (SPD) forderten am Montag mehr Geld. Am 24. September will sich die Bundesregierung mit den Ländern über die Flüchtlingsausgaben für 2016 verständigen.
Weil die Steuereinnahmen steigen, hat die große Koalition die Hoffnung, die zusätzlichen Ausgaben mühelos zu finanzieren. Im Vergleich zur vergangenen Steuerschätzung und zum Haushaltsplan kalkuliert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit einem Überschuss von mindestens fünf Milliarden Euro. Laut Haushaltgesetz müsste dieses Geld eigentlich in die Tilgung alter Schulden fließen. Das soll ein Nachtraghaushalt – der zweite in diesem Jahr – verhindern. Damit reserviert der Bundestag das Geld für 2016.
Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2016, den das Parlament ab Dienstag debattiert, wird dann entsprechend geändert. Eine Variante: Die Einnahmen und Ausgaben steigen von derzeit geplanten 312 auf 318 Milliarden Euro, so Unionshaushälter Rehberg. Die Einzelheiten klären die Regierungsfraktionen bis zur sogenannten Bereinigungssitzung am 12. November.
An den bisher geplanten Ausgaben soll sich dabei nichts ändern – das ist die gemeinsame Ansage von Union und SPD. Man will den Eindruck vermeiden, dass die Ausgaben für Flüchtlinge zulasten anderer Vorhaben gehen.
Beispielsweise hat die Koalition ein Programm für zusätzliche Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro zwischen 2016 und 2018 beschlossen. 1,3 Milliarden Euro fließen alleine nächstes Jahr in Straßen, Schienen und neue Datenleitungen. „Wir nehmen keine Abstriche bei der Infrastruktur vor“, so Rehberg. Außerdem soll die Entwicklungshilfe bis 2019 um 8,3 Milliarden Euro steigen. Nicht zuletzt erfüllt Finanzminister Schäuble seiner Partei den Wunsch einer wenigstens kleinen Steuerentlastung: Der Effekt der sogenannten kalten Progression wird im kommenden Jahr ausgeglichen. Die Steuerzahler behalten etwa 1,5 Milliarden Euro. Schäuble muss mit ensprechenden Mindereinnahmen zurecht kommen.
Das fällt dem Bundeskassenwart aber nicht schwer. Wegen der guten Wirtschaftslage, der zunehmenden Zahl von Arbeitsplätzen und wachsenden Löhnen übersteigen die Steuereinnahmen in diesen Jahren regelmäßig die Planung. Außerdem liegen die Zinsen, die die Finanzminister für alte Schulden bezahlen müssen, sehr niedrig. Aus beidem folgt, dass Schäuble zur Zeit alles Nötige ohne neue Schulden finanzieren kann. Glück für die große Koalition: Der ausgeglichene Bundeshaushalt ist ihr zentrales finanzpolitisches Projekt.