Das halbherzige Konjunkturprogramm
Staatliche Investitionen seien das wirksamste Mittel gegen die Rezession, sagt der Leipziger Wirtschaftsprofessor Ulrich Heilemann. Im Konjunkturpaket der Bundesregierung kommen sie kaum vor
03. Nov. 2008 –
Ökonomen kritisieren das Konjunkturprogramm der Bundesregierung gegen die Finanzkrise. Zu den Kritikern gehört Ulrich Heilemann von der Universität Leipzig. Der Wirtschaftsprofessor hat die Wirkung verschiedener Maßnahmen untersucht. Sein Ergebnis: Die wirksamsten Mittel sind im Paket der Regierung bislang kaum vertreten.
„Staatliche Investitionen in die Infrastruktur“ seien die beste Variante, urteilt Heilemann, der am Leipziger Institut für empirische Wirtschaftsforschung arbeitet. Dadurch würden mehrere Hundertausend Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen. Der Effekt sei wesentlich größer als bei Steuererleichterungen, Abschreibungen und anderen Maßnahmen, die die große Koalition berate.
Am kommenden Mittwoch soll das Maßnahmenbündel vom Kabinett beschlossen werden. Nachdem sich die Regierung und besonders Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) wochenlang dagegen gewehrt haben, wird die Konjunkturspritze nun wohl etwa 50 Milliarden Euro umfassen. Nicht alle Maßnahmen sind neu, über verschiedene Einzelposten wurde am Montag noch diskutiert. Insgesamt soll das Paket die Wirtschaft stützen, die durch die Finanzkrise in eine Rezession hineinzurutschen droht.
Heilemanns Kritik basiert auf Berechnungen seinen Instituts über die finanziellen Wirkungen verschiedener Förderinstrumente. Dass staatliche Investitionen in den Bau von Schulen, Kindergärten, Straßen und Wasserleitungen den größten positiven Effekt hätten, begründet der Ökonom so: Mit den zusätzlichen Milliarden würde die öffentliche Hand Aufträge an die Privatwirtschaft vergeben, die sonst nicht stattgefunden hätten. Diese über den gegenwärtigen Stand hinausgehende Nachfrage würde sofort zusätzliche Gewinne von Unternehmen, Löhne von Beschäftigten und somit auch eine weitere private Nachfrage nach Konsumgütern auslösen, so Heilemann. Der Verlust von Mitteln auf dem Weg in den Kreislauf der Wirtschaft sei denkbar gering.
Bei den Maßnahmen, die die Bundesregierung überwiegend plane, sei das anders, kritisiert Heilemann. Erhebliche „Mitnahmeeffekte“ seien zu befürchten, was die Wirksamkeit der Konjunktursprize mindere. Ein Beispiel: Wenn die Bundesregierung die Steuerabschreibung für Maschinen erhöhe, werden Investitionen für Unternehmen billiger. Der Anreiz kann dazu führen, dass Firmen zusätzliche Investitionen tätigen oder sich nur ohnehin geplante Maßnahmen vom Staat finanzieren lassen. In diesem Falle würde keine zusätzliche Nachfrage ausgelöst und das Konjunkturprogramm zum Teil verpuffen.
Das 50-Milliarden-Paket enthält bislang direkte staatliche Investitionen in Höhe von rund acht Milliarden Euro für die Jahre 2009 bis 2011. Davon entfallen jeweils drei Milliarden Euro auf energiesparende Investitionen in Gebäude und Hilfen für strukturschwache Kommunen. Hinzu kommen zwei Milliarden für dringliche Verkehrsinvestitionen.
Auch Joachim Scheide, der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel steht dem Programm der Regierung skeptisch gegenüber. Seiner Meinung nach droht das Paket zu verpuffen, weil es im wesentlichen mit neuen Staatsschulden finanziert werde. Weil die Bürger deshalb spätere Steuererhöhungen befürchteten, so Scheide, würden sie sparen und mit ihrer niedrigeren Nachfrage die höhere staatliche Nachfrage neutralisieren.