Das magische Investitionsprogramm

300 Milliarden Euro sollen das Wachstum in Europa ankurbeln. Ökonomen haben Zweifel, ob das klappt

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Von Hannes Koch

18. Dez. 2014 –

Mit einem teuren Schwert will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den ökonomischen Knoten zerschlagen. Über sein Investitionsprogramm in Höhe von 315 Milliarden Euro beraten Ende dieser Woche die Regierungen der Europäischen Staaten in Brüssel. Sie hoffen, dass dadurch das Wachstum und die Zahl der Jobs zunehmen. Ökonomen haben derweil gewisse Zweifel, wie das Programm anschlagen kann.

 

Auf den ersten Blick sieht Junckers Plan aus wie Magie. Um die Wirtschaftskrise vor allem in den südeuropäischen Ländern endlich zu beenden, will der neue Kommissionschef gigantische Summen einsetzen. Aber nur ein kleiner Teil des Geldes ist tatsächlich vorhanden. Genau gesagt: 21 Milliarden Euro. Diese Summe sollen die EU und die Europäische Investitionsbank in den neuen Fonds für strategische Investitionen einzahlen. Auf der Basis des garantierten Kapitals kann der Fonds sich zusätzliche Mittel bei Banken leihen und damit ein Volumen von rund 60 Milliarden Euro erreichen.

 

Im nächsten Schritt kommen externe Investoren ins Spiel – beispielsweise eine Landesregierung in Deutschland oder ein Unternehmen. Diese erhalten vom Fonds einen Kredit für ein bestimmtes Investitionsvorhaben, etwa einen Hafen, eine Straße oder einen Windpark. Dank diesen Geldes können sie von Geschäftsbanken zusätzliche Mittel in vierfacher Höhe akquirieren. Aus 21 Milliarden werden auf diese zauberhafte Weise rund 300 Milliarden. Junckers Kalkül besteht also darin, dass mittels der öffentlichen Anschubfinanzierung Investitionen in ganz Europa ausgelöst – in der Fachsprache „gehebelt“ - werden, die wegen zu großen Risikos sonst unterblieben.

 

Klingt gut. Aber Clemens Fuest vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sagt: „Der Hebel ist beim Investitionsprogramm ziemlich optimistisch berechnet. Es erscheint fraglich, ob am Ende wirklich über 300 Milliarden Euro zusammenkommen.“ Auch Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist skeptisch: „Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nicht seriös abschätzen, wie die Märkte auf das Programm reagieren.“ Und der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold schätzt: "Der Hebel des Juncker-Programms wird nicht funktionieren, weil kein Investor glaubt, dass 21 Milliarden für potentielle Verluste aus 315 Milliarden Investitionen garantieren können."

 

Weitere Fragen knüpfen sich an die Projekte, die die Mitgliedsstaaten zur Finanzierung bei der EU-Kommission vorgeschlagen haben. Auf der deutschen Liste stehen unter anderem Kabelverbindungen zwischen Windparks auf der Nordsee, die die Versorgungssicherheit im Stromnetz stärken würden. Den Betreibern waren diese Stromkabel jedoch bislang zu teuer. Dass solche privaten Vorhaben dank öffentlicher Garantien und Kredite schneller vorankommen, ist durchaus vorstellbar.

 

Allerdings finden sich auf der Liste auch viele öffentliche Infrastrukturprojekte. Beispiele sind Autobahn-Teilstücke, Autobahn-Brücken, ein Flüssiggas-Hafen an der Ostsee, die Vertiefung von Weser und Elbe, sowie Deiche, die gegen Überflutung schützen sollen. Dazu sagt DIW-Ökonom Fichtner: „Dass das EU-Investitionsprogramm öffentliche Vorhaben in Deutschland beschleunigt, ist schwer vollstellbar. Die meisten Kommunen, die Länder und der Bund haben ohnehin keine Probleme, Kredit zu bekommen.“ Das heißt: Das nötige Geld ist vorhanden, die möglichen Hindernisse liegen nicht im finanziellen Bereich.

 

Besondere Probleme stellen sich bei den sogenannten PPP-Projekten (Public Private Partnership), die der deutsche Staat zusammen mit privaten Unternehmen abwickeln soll. Ein Beispiel: Baufirmen errichten und betreiben ein Stück der Autobahn 94 zwischen Pastetten und Heldenstein in Bayern. Dafür könnten sie einen Teil der Mauteinnahmen erhalten.

 

Sind solche Kooperationen gegenwärtig überhaupt sinnvoll? „PPP-Projekte bieten für den Staat Chancen und Risiken“, so ZEW-Forscher Fuest. „Die privaten Investoren am Betrieb beispielsweise von Autobahnen oder Häfen zu beteiligen mag hilfreich sein, weil dadurch die Effizienz dieser Einrichtungen steigen kann. Allerdings ist privates Kapital für den Staat teurer, da er sich selbst gegenwärtig zu sehr niedrigen Zinsen verschuldet.“

 

Ähnlich sieht Letzteres Ferdinand Fichtner: „Angesichts der niedrigen Kreditzinsen braucht der Staat zur Zeit in der Regel nicht unbedingt privates Kapital zusätzlich. Die von Privaten einkalkulierte Rendite verteuert die Vorhaben oft unnötig.“ Bei der EU heißt es dazu, dass viele der öffentlichen Infrastrukturvorhaben ohnehin wieder vom deutschen Teil der Projektliste verschwinden würden.

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