Das Ministerium für Stil und Mumm

Wie Wirtschaftsminister zu Guttenberg mit Glück und Geschick zum Shootingstar wurde

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Von Wolfgang Mulke

28. Aug. 2009 –

Angst vor dem Volk kennt der Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg nicht. Als vor dem Berliner Wirtschaftsministerium im Frühjahr rund 5.000 Beschäftigte des Warenhauskonzerns Karstadt für Staatshilfen demonstrierten, scheute der neue Medienstar unter den Politikern nicht, sondern nahm ein Mikrofon in die Hand und erklärte seine skeptische Sicht der Dinge. „Ich spreche jetzt mit den Leuten“, sagte er anschließend und verschwand in der Menschenmenge. Die Personenschützer ließ er einfach stehen.

 

Solche Bilder haben dem fränkischen Freiherrn in kürzester Zeit eine ungeahnte Popularität eingebracht. Wo der Baron auftritt, strebt das Fußvolk scharenweise hin. Unternehmer feiern den Wirtschaftsminister mit stehenden Ovationen, im konservativen Allgäu stehen junge Frauen vor einer Wahlkampfveranstaltung Schlange für einen Blick auf den blaublütigen Minister. Nach nicht einmal sechs Monaten im Amt hat zu Guttenberg fast alle Kollegen abgehängt. Im Ranking der beliebtesten Politiker hat er sich hinter Kanzlerin Angela Merkel auf den zweiten Platz vorgearbeitet. 

Der Turbostart auf der Regierungsbank wirft auch Fragen auf. Welche Strategie verfolgt der Freiherr und wer hilft bei der Umsetzung im Hintergrund? Die Antworten darauf sind erstaunlich einfach. „Mir ist kein Berater bekannt“, sagt Regierungssprecher Klaus Vater. Auch Steffen Moritz, der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, bestreitet, dass im Hintergrund ein gewiefter Profi die Fäden zieht. Der Minister entscheide selbst, erläutert Moritz. 

 

Dabei gilt der Franke durchaus nicht als beratungsresistent. Er nimmt Tipps von anderen an oder verwirft sie. Nach welchen Kriterien der öffentliche Auftritt geplant und dosiert wird, wird nicht verraten. Ein Interview mit seinem Sprecher über die Medienstrategie des Hauses verweigerte zu Guttenberg. Auf eine gute fachliche Beratung ist der noch unerfahrene Minister vor allem inhaltlich angewiesen. Im Haus gilt Staatssekretär Walther Otremba als wichtigster Helfer, wenn es um wirtschaftspolitische Aussagen geht. Auch ansonsten verlässt sich der Minister auf die Beamten im eigenen Haus. In der Chefetage ging beim Amtsantritt im Februar noch die Angst um, zu Guttenberg bringe seinen eigenen Beraterstab mit. Die Sorge um  Posten war unbegründet. Der CSU-Mann beließ bis hin zum Sprecher und der Büroleitung alles beim alten.

 

So erlebt Moritz nun den dritten Ressortchef nach Wolfgang Clement (SPD) und Michael Glos (CSU). Der Vergleich zwischen ihnen zeigt einen der Pluspunkte des Senkrechtstarters. Der 37-jährige Franke braucht keine ausgedruckten Papiervorlagen, sondern arbeitet sich mit Hilfe elektronischer Medien schnell in neue Themen ein. Bei Glos und Clement stand nicht einmal ein Computer auf dem Schreibtisch. Der große Altersunterschied zu seinen Vorgängern ist in Hinsicht auf die Lernfähigkeit ein Vorteil des jungen CSU-Mannes.

 

Die Frage nach der politischen Strategie zu Guttenbergs ist nicht ganz so einfach zu beantworten. „Er hat keine, sondern entscheidet je nach Situation“, glaubt der Korrespondent einer großen Frankfurter Zeitung. Die Parlaments- und Regierungskorrespondenten beäugen den Shootingstar mit einer Mischung aus Anerkennung und inhaltlicher Kritik. Denn wirtschaftspolitisch zustande gebracht hat zu Guttenberg bislang eigentlich nichts Nennenswertes. Viel mag als Ersatzspieler am Ende einer Legislaturperiode zwar nicht drin gewesen sein. Doch wird im Nichtstun auch ein Prinzip des Freiherrn sichtbar. Zu Guttenberg bietet auf diese Weise keinerlei Angriffsflächen. Kratzer auf dem Lack sollen möglichst vermieden werden.

 

Mit Glück, Geschick und einer gewissen Abschottung ist dies bisher meist gelungen. Fortuna half vor allem am Anfang. Als zu Guttenberg antrat, beherrschte die Rettung von Opel die Schlagzeilen. „Er musste auf einen rasenden Zug aufzuspringen und nutzte die Chance, so wahrgenommen zu werden“, erinnert sich Moritz. Die komplexen Themen des Ressorts, zum Beispiel die Energiepolitik, konnte der Minister so erst einmal links liegen lassen. Die schnell mögliche Einarbeitung in ein Einzelthema genügt zum Nachweis der Kompetenz. Die sich daraus ergebenen Möglichkeiten nahm zu Guttenberg ebenso mutig wie konsequent an. Höhepunkt der Kampagne in eigener Sache war das Rücktrittsangebot in der langen Opel-Nacht im Frühsommer. Zur Erinnerung: Während Kanzlerin Angela Merkel, die SPD-Spitze und die Ministerpräsidenten der Opel-Länder das Übernahmekonzept des Zulieferers Magna bevorzugten, plädierte zu Guttenberg für eine Insolvenz der Autofirma, trat als ordnungspolitischer Hardliner vor die Kameras und zeichnete das Bild des Unbeugsamen. Mutig war dieses Vorgehen allemal. Da legte sich ein Newcomer mit der alten Elite an – und gewann das Spiel. Im Wirtschaftsministerium gingen reihenweise Mails ein, die den Baron in der Ablehnung des Rettungsplans unterstützten und auf der Popularitätsskala ging es fortan steil bergauf.

 

„Kompetenz ist wichtiger als ein Programm“, weiß der langjährige Wahlkampfmanager der Union, Peter Radunski (siehe Interview). Im monatelangen Gezerre um die Zukunft von Opel hat zu Guttenberg keine Gelegenheit zur Demonstration von Sachkenntnis vor laufenden Kameras ausgelassen. Nach beinahe jeder Spitzenrunde lud das Ministerium zu einem in der Hauptstadt unüblich eingeschränkten Pressestatement ein. Der Ressortleiter verkündete mit ernster Miene ein paar Sätze zum Sachstand. Dann wurden allenfalls zwei oder drei Fragen der Journalisten zugelassen und der Freiherr entschwand wieder. So konnte kein Korrespondent tiefer bohren als erwünscht.

 

Auch die wirtschaftspolitischen Reden zu Guttenbergs zielen auf die Vermeidung von Fehlern und die Imagebildung ab. Der CSU-Mann profiliert sich als Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, als moderner Konservativer und Förderer der Leistungseliten. „Selbstdisziplin, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Fairness, Ritterlichkeit, Maßhalten, Gemeinsinn, Achtung vor der Menschenwürde des anderen, feste sittliche Normen“, zitiert zu Guttenberg in einem Wahlbeitrag die gesuchten Werte für den idealen Teilnehmer an Markt und Wettbewerb. Damit füllt der Franke eine große personelle Lücke in der Union und der Politik insgesamt, von der weite Teile der die Bevölkerung mehr Verlässlichkeit und Gemeinsinn erwarten. Ein gewisser Hang zur Schwulstigkeit und zum Pathos schwingt bei dem Adligen gelegentlich auch mit. So attestiert sich zu Guttenberg im Vorwort seiner Dissertation eine „verwegene Charakter- und Lebensmelange“.

 

„Das ist der beste Selbstdarsteller in Berlin“, urteilt Sascha Buchbinder, der als Korrespondent des Züricher Tages-Anzeigers das Geschehen verfolgt. Zu Guttenberg besetze nur lauter Leerstellen und liefere inhaltlich nichts. Diese Schwäche wird von den Journalisten immer häufiger festgestellt. Mit perfekten Auftritten und Mut zur Auseinandersetzung wird die inhaltliche Schwäche kaschiert. Das Wirtschaftsressort ist zum Ministerium für Stil und Mumm geworden. Bis zur Wahl mag der Minister mit seiner Strategie noch durchkommen. Auf Dauer sind Taten gefragt. Allerdings zweifelt auch kein Beobachter an einem sicheren Posten zu Guttenbergs im nächsten Bundeskabinett. Wer es unter die Top Ten der beliebtesten Deutschen geschafft hat, ist für die Kanzlerin kaum entbehrlich.

 

Medial ist der Freiherr längst zum Selbstläufer geworden. Das erste Interview bekam standesgemäß die Frankfurter Allgemeine Zeitung, danach kam Bild dran. Besonders gepflegt wird laut Ministerium noch der Kontakt zu den Heimatzeitungen. Um gute Bilder und Aufmerksamkeit muss sich zu Guttenberg längst nicht mehr selbst bemühen. Selbst eine im Stern jüngst veröffentlichte, äußerst wohlmeinende Titelgeschichte geht auf das Interesse der Parlamentsredaktion des Magazins zurück. „Er geht intuitiv mit der Presse um“, schätzt Stern-Korrespondent Andreas Hoffmann.

 

Gerne hätten die Hamburger den Minister als schwarzen Ritter verkleidet auf das Titelbild gebracht. Doch da wollte zu Guttenberg nicht mitspielen. Denn obwohl er kaum eine Gelegenheit auslässt, die für Aufmerksamkeit sorgt, hat er die Gefahren einer allzu selbstherrlichen Darstellung kennen lernen müssen. Bei einem Besuch in New York bedrängten mitreisende Fotografen den Politiker massiv, auf dem Times Square mit ausgebreiteten Armen zu posieren. Ein Bild, das inmitten der Wirtschaftskrise bei jedem anderen verheerend gewirkt hätte. Doch der Fehler blieb nicht lange haften.

 

Überhaupt kommt zu Guttenberg trotz mancher Schwäche bislang ungeschoren davon. Schon der erste Auftritt als Wirtschaftsminister war eher peinlich. Er präsentierte sich den versammelten Journalisten als mittelständischer Unternehmer, obschon die genannte Firma lediglich das eigene, allerdings beträchtliche Familienvermögen von einigen hundert Millionen Euro verwaltet.

 

Sechs Wochen vor der Bundestagswahl gelang es der SPD zum ersten Mal, eine kleine Schramme in den Imagelack zu ziehen. Der Wirtschaftsminister hat von einer Anwaltskanzlei einen Gesetzentwurf zur Entmündigung taumelnder Banken schreiben lassen, statt die eigenen Beamten zu bemühen. Ansonsten haben die Genossen ein Problem. Sie können den Baron nicht fassen. Der Franke ist weiterhin in den Medien omnipräsent. Auch Berichte in den Klatschspalten sind willkommen. Da rückt Gattin Stephanie dem Baron bei den Salzburger Festspielen in der Bild-Zeitung die Fliege gerade. Auch für die „Bunte“ ließ sich Frau Ministerin ablichten.

 

Wie lange sich der Politstar im Lichte sonnen darf, ist die spannende Frage. Zu Guttenberg rechnet selbst mit härteren Zeiten, spätestens wenn die Arbeitslosenzahlen stark steigen. Nach der Wahl muss die neue Regierung, der er aller Wahrscheinlichkeit nach angehören wird, auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Da das Wirtschaftsressort im Falle einer Koalition von Union und FDP von den Liberalen besetzt wird, könnte zu Guttenberg das Finanzministerium anstreben. Die Chefs in der Wilhelmstraße zählen von Amts wegen in der Regel zu den beliebtesten Regierungsmitgliedern, zumal bald wohl ein harter Sparkurs angezeigt ist. Aber wegzudenken ist zu Guttenberg nicht mehr. Mit Glück und Geschick hat er sich für die höchsten Ämter empfohlen. „Das war ein zufälliger Riesenerfolg“, urteil der Reuters-Chefreporter Gernod Heller, „damit hat die Wirtschaftspolitik der CDU wieder ein Gesicht bekommen“. 

 

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