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Davos, die große Nebelmaschine

Andrang beim Weltwirtschaftsforum: Zum 50. Jubiläum des Kongresses der Firmen- und Politik-Elite kommen auch US-Präsident Donald Trump und Klima-Aktivistin Greta Thunberg. Zwei Wege für die Entwicklung der Welt.

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Von Hannes Koch

20. Jan. 2020 –

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos herrscht dieses Jahr wieder Hochbetrieb. US-Präsident Donald Trump hat sich angekündigt, ebenso Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die Erfinderin der Fridays for Future-Bewegung. Der Auflauf kommt dem WEF, dem alljährlichen Gipfel der globalen Wirtschafts- und Politikelite, zu seinem 50. Jubiläum in den Schweizer Alpen gerade recht.

Sowohl Trump als auch Thunberg waren zwar schonmal hier. Der Präsident redete im Januar 2018 im großen Saal des Kongresszentrums. Thunberg sprach 2019 mit einigen Politikerinnen und Politikern, um sich dann mit ihrem Protestschild draußen in den Schnee zu setzen. Gemeinsam war diesen Auftritten jedoch, dass beider Einfluss auf die Welt erst ansatzweise zu erkennen war. Nun sieht man klarer. Donald Trump steht für die Zerschredderung der Globalisierung. Greta Thunberg und ihre Leute verlangen, das fossile Wirtschaftsmodell innerhalb weniger Jahre zu beenden. Die Personen markieren Entwicklungsrichtungen, die die Politik in den kommenden Jahren nehmen kann: fossiler Nationalismus oder nachhaltiger Internationalismus.

Dieser Streit wird vom kommenden Montag- bis Freitagabend im Graubündener Bergstädtchen Davos ausgetragen. Das Klima-Thema steht ganz oben auf der Tagesordnung. Aber wie funktioniert dieses Weltwirtschaftsforum eigentlich?

Zunächst einmal ist das WEF ein Riesenkongress, ein erfolgreicher Event mit rund 3.000 offiziellen Gästen, darunter Dutzenden Staatschefs, hunderten Ministerinnen und Ministern, tausenden Unternehmensvorständen. Klaus Schwab, 81 Jahre, gebürtiger Ravensburger, gründete die Veranstaltung 1971 als Diskussionstreffen über Management-Strategien für Unternehmen. Seit den 1980er Jahren jedoch hat sie sich zum Familientreffen der globalen Elite gemausert, der Freundinnen und Freunden von Globalisierung und Freihandel. Schwab selbst bezeichnet das WEF als „globales Dorf“. Nicht zu Unrecht: Es kommen so viele wichtige Leute, dass es sich lohnt, dort Botschaften an die Mächtigen und Milliardäre zu senden.

Aber die Organisation will auch politischer Akteur sein. Schwab sagt es so: „Während der letzten 50 Jahre ist das WEF zur umfassensten und repräsentativsten Plattform für öffentlich-private Kooperation geworden.“ Sein Anspruch ist es, ein globales Gespräch zu führen, um den „Zustand der Welt zu verbessern“. Beim alljährlichen Hauptact in Davos und bei Dutzenden kleinerer Kongresse in Asien, Afrika und Amerika versammelt sein Team Unternehmen, Politik und zivilgesellschaftliche Organisationen mit dem erklärten Ziel, praktische Lösungen im Interesse aller zu erreichen.

Thilo Bode, Chef der Organisation Foodwatch, die sich um nachhaltige Lebensmittel kümmert, glaubt das nicht: „Das WEF hat nicht das Gemeinwohl zum Ziel, sondern behauptet, die Interessen der Unternehmen und der Allgemeinheit wären identisch.“ Und die Leute von Strike WEF, die in diesen Tagen den Klima-Protest in Davos organisieren, schreiben: „Das WEF hat 1.000 Mitglieder, von denen die Mehrheit globale Grosskonzerne mit mehr als fünf Milliarden US-Dollar Umsatz sind.“ Eigentlich betätige Schwab sich also als Lobbyist für Unternehmensinteressen.

Das WEF weist die Vorwürfe zurück. Im Gegenteil fordere man die Firmen auf, sich nicht wie die Axt im Walde zu verhalten. Zum 50. Jubiläum wurde eine Neuauflage des „Davoser Manifests“ veröffentlicht. „Unternehmen müssen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen“, heißt es darin. „Sie sollten Korruption keinesfalls tolerieren und die Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten achten.“ Schwab nennt das „Stakeholder-Kapitalismus“ - eine Marktwirtschaft für alle. Ein praktischer Beleg unter vielen: Das WEF beteiligte sich zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation, der Bill and Melinda Gates Stiftung und großen Pharma-Konzernen an der Gründung der Impf-Allianz Gavi, die bisher nach eigenen Angaben 440 Millionen Kinder gegen lebensbedrohliche Krankheiten geschützt hat.

Schön und gut, meinen Kritiker wie Bode, der als Chef von Greenpeace International früher selbst ein paar Mal in Davos war. Aber „demokratische Politik muss Entscheidungen unabhängig von Konzernen treffen. Das WEF untergräbt diese Unabhängigkeit. Ein Beispiel dafür ist das globale Projekt für den bevorrechtigten Transport von Flugpassagieren, die ihre digitale Identität preisgeben.“ Das könne auf eine Art weltweites Zweiklassen-Flugrecht für die Elite einerseits und normale Leute andererseits hinauslaufen.

An beiden Sichtweisen ist etwas dran. Möglicherweise besteht das Problem bei Schwabs Aktivitäten aber nicht darin, dass sie wirksam, sondern eher dass sie unwirksam sind. Fast alles, was das Forum tut, ist unter dem Strich Laberei. Man kann das WEF auch als globalen Wohltätigkeitsverein betrachten, der es den Unternehmen ermöglichen soll, ungestört ihren eigentlichen Geschäften nachzugehen – weiter Kohle abbauen, Erdöl fördern, kaum Steuern zahlen, Milliarden in Vorstandsgehälter, schlachtschiffgroße „Yachten“ und Luxusimmobilien stecken. Dann ist Davos eine einzige große Nebelmaschine.

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