• © icct

„Der Diesel-Gipfel kommt zwei Jahre zu spät“

Interview mit ICCT-Chef Peter Mock

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

31. Jul. 2017 –

Vom Besprechungsraum in der europäischen Zentrale des International Council on Clean Transportation (ICCT) aus blickt Europa-Chef Peter Mock auf den Hackeschen Markt. Von Autos ist in dieser Fußgängerzone weit und breit nichts zu sehen. 2015 hat die von Stiftungen und Regierungen finanzierte Forschungsplattform für saubere Mobilität ihre auffälligen Messwerte bei VW-Dieselautos den Behörden gemeldet. Damit begann ein Skandal, der sich nun zu einem Erdbeben in der Automobilindustrie auszuweiten scheint. „Das hat uns überrascht“, sagt der 36-jährige Wirtschaftschemiker.

Frage: Ihre Organisation ist den illegalen Abschalteinrichtungen bei VW 2015 auf die Schliche gekommen. Hätten Sie damals gedacht, dass aus dieser Entdeckung ein Erdbeben für die deutsche Automobilindustrie erwächst?

Peter Mock: Das kam für uns überraschend. Wir wussten, dass die Emissionen in Europa viel höher sind als erlaubt, aber von illegalen Abschalteinrichtungen hatten wir keine Ahnung. Das war der erste Schock. Dann wurden in Deutschland erstmals Fahrzeuge systematisch nachgetestet durch das Verkehrsministerium. Da kam heraus, dass alle Hersteller Abschalteinrichtungen nutzen. Das war der zweite Schock. Der dritte ist der Vorwurf der Kartellbildung einer diesbezüglichen Absprache der Hersteller.

Frage: Die drei großen Hersteller wollen alte Diesel mit einem Softwareupdate nachrüsten. Werden die Euro-5-Fahrzeuge damit tatsächlich deutlich sauberer?

Mock: Das kommt auf das Fahrzeug an. Es kann funktionieren, wenn im Model schon die neueste Abgastechnologie eingebaut worden ist. Das Update kann dazu führen, dass die vorhandene Hardware auch wirklich genutzt wird. Es muss jedoch mehr Harnstoff eingespritzt werden. Der Tank muss öfters nachgefüllt werden. Wenn der Speicherkatalysator zu klein ist, um die Stickoxide zu speichern, nutzt auch ein Update nichts. Deshalb bin ich bei vielen Modellen skeptisch.

Frage: Was wäre anstelle dessen nötig?

Mock: Man müsste die Technologie nachrüsten und den Speicherkatalysator gegen einen größeren austauschen, wenn dafür überhaupt Platz ist. Oder man müsste eine SCR-Technologie einbauen. Damit stellen sie sicher, dass die Fahrzeuge auch unter realen Bedingungen sauber sind.

Frage: Müssten die Hersteller bei einer Nachrüstung gesondert garantieren, dass es keine anderen Folgewirkungen auf den Motor geben wird?

Mock: Es wird kleine Veränderungen geben, zum Beispiel einen leicht steigenden Verbrauch. Eine Nachrüstung ohne Veränderung wäre die Quadratur des Kreises und mit einem Softwareupdate nicht machbar.

Frage: Was würde der saubere Diesel zusätzlich kosten?

Mock: Wir gehen von 500 Euro Mehrkosten bei der Produktion neuer Autos aus. Eine Nachrüstung mit der modernsten Technologie kostet wahrscheinlich deutlich mehr, 1.000 bis 2.000 Euro, schätze ich. Das müssten die Hersteller bezahlen, nicht der Kunde, nicht der Steuerzahler.

Frage: Ließen sich Fahrverbote damit verhindern?

Mock: Es gibt Beispiel für sehr saubere Diesel. In der Diskussion werden alle Diesel über einen Kamm geschoren. Aber auch manche Euro-6-Fahrzeuge sind schmutziger als gute Euro-5-Modelle. Es gibt momentan keine praktikable Lösung, wie man die sauberen von den schmutzigen Diesel trennen könnte. Als Privatkunde kann man das gar nicht überblicken. Kein Wunder, dass die Kunden kein Vertrauen mehr in die Technologie haben. Auch die besseren Hersteller werden in diesen Strudel mit hineingezogen.

Frage: Was erwarten Sie vom Diesel-Gipfel in der kommenden Woche?

Mock: Der Gipfel kommt zwei Jahre zu spät. Die Kunden wurden gleich mehrfach enttäuscht. Jetzt sollen sie wieder Vertrauen gewinnen, um die Technologie zu retten. Der Diesel ist mit einem Gipfel nicht mehr zu retten.

Frage: Angeblich haben die großen Hersteller den Einbau zu kleiner Adblue-Tanks abgesprochen. Lässt sich diese als vorsätzliche Gesundheitsschädigung werten, weil damit klar war, dass die Abgasreinigung im normalen Verkehr nicht ausreichend wirken kann?

Mock: Die Größe des Tanks ist nur einer von mehreren Faktoren. Zum Beispiel kann ein Hersteller verschiedene Abgasreinigungs-Technologien kombinieren. Dann sinkt der Bedarf an Adblue. Ein direkter Rückschluss von der Tankgröße auf die Abgasemissionen ist nicht möglich.

Frage: Von BMW ist im Zusammenhang mit dem Dieselskandal nichts zu hören. Sind die Münchner besser als die Konkurrenz?

Mock: In den USA hat BMW schon früher eine Kombination zweier Technologien eingesetzt und damit sehr gute Ergebnisse erzielt. In Europa kam das etwas später, aber immer noch vor den Konkurrenten. Vermutlich schneiden die BMW in den Tests tendenziell besser ab.

Frage: Frankreich und Großbritannien verbieten neue Verbrennungsmotoren ab 2040. Andere Länder werden vermutlich folgen. Warum sollte die Industrie noch viel Geld in eine bessere Technik der Auslaufmodelle stecken?

Mock: Der Diesel hat technisch noch Potenzial, aber wirtschaftlich nicht. Er wird immer teurer, weil immer aufwendigere Abgasreinigungen eingebaut werden müssen. Gleichzeitig werden Elektrofahrzeuge immer günstiger, weil die Batteriekosten schneller sinken als erwartet. Zunächst wird der Diesel Kleinwagen bei verlieren. Bis 2025 hat der Verbrennungsmotor noch Verbesserungspotenzial. Doch Investitionen darin sind nicht sinnvoll, weil Elektrofahrzeuge zwischen 2020 und 2025 günstiger werden als Verbrenner. Das Kleinwagensegment wird auf Batteriefahrzeuge umgestellt, im Spitzensegment gibt es eher Hybride oder noch Verbrennungsmotoren.

Frage: Hat sich das CO2-Problem im Verkehr damit erledigt?

Mock: Dazu fehlt mit einer CO2-Regulierung für LKW noch ein wichtiger Baustein. Die Emissionen steigen hier sehr stark an. Momentan kommen sie auf ein Viertel der Emissionen, bald auf die Hälfte. Es gibt sehr viele Sparpotenziale, die zu geringen Kosten gehoben werden könnten. Ohne eine Regulierung werden diese Technologien nicht in die Fahrzeuge eingebaut. Das muss die Politik handeln.

« Zurück | Nachrichten »