Der digitale Concierge

Chatbots als Helfer für Dienstleistungen

Teilen!

30. Dez. 2016 –

Guten Tag, ich bin Otto. Ich bin ein Bot, der dich durch die App begleitet. Wer erstmals den Messengerdienst „wire“ benutzt, dem stellt sich Roboter Otto vor. Er sieht ein bisschen aus, wie die Schmalspurversion von R2D2 aus dem Film „Star Wars“. Otto kann mit den Armen wedeln, die Augen wackeln lassen und ist immer nett und freundlich. Schreibe mir etwas, um weiter zu machen, fordert Otto. „Hallo“, schreibe ich. „Prima“, erwidert Otto. Dann will er mir zeigen, wie man Zeichnungen macht, wie Sprachaufnahmen funktionieren.


Otto und seine Kollegen sind so etwas wie digitale Helfer. Sie sollen gestresste Mitarbeiter entlasten, für schnelleren, besseren und preiswerteren Service sorgen, für sämtliche Angebote, digitale wie analoge. Ihr Job: Die Kommunikation zwischen Mensch und Firma, zwischen Nutzer und Dienstleister. In Deutschland steht man bei der Anwendung von Chatbots im Kundenservice noch relativ am Anfang. „Im Prinzip geht es hier um eine Weiterentwicklung der Telefonhotline und der Kundenbetreuung“, sagt Peter Meyer, Experte für IT-Sicherheit beim Verband der Internetwirtschaft eco.


Noch würde man in vielen Branchen den Dialog mit dem Roboter als „Science-Fiction“ bezeichnen. Doch laut Meyer wird es in wenigen Jahren für den Verbraucher nicht mehr zu erkennen sein, ob man mit einem Menschen oder mit einer künstlichen Intelligenz spricht. Sprachprogramme wie Siri zeigten bereits, wie weit die Technik derzeit sei. Spätestens in fünf bis zehn Jahren soll die Technologie deutlich professioneller sein, vermutet Meyer. Dann könnte Siri beispielsweise Urlaubsreisen nach den Vorlieben des Nutzers selbstständig buchen. Der Mensch muss nur noch die Bestätigung für die passgenaue Reise klicken.


Ich will eine Sprachnachricht aufnehmen und verschicken. Doch ich berühre an der falschen Stelle das Smartphone-Display. „Das war leider nicht ganz richtig“, schreibt Otto. „Probiere es noch einmal.“ Otto ist geduldig und allzeit bereit zu helfen. Am frühen Morgen, an Feiertagen, mitten in der Nacht.


Thomas Wilde und seine Kollegen schaffen die technischen Voraussetzungen für solche digitalen Helfer wie Otto. „Unsere Social-Media-Lösungen nutzen insbesondere Firmen, die mit ihren Kunden regelmäßig im Dialog stehen“, sagt Wilde. Er ist Geschäftsführer von BIG Social Media in Berlin. Die Telekom oder die Internetfirma 1&1 gehören zu seinen Kunden, Supermärkte, Automobilhersteller, jegliche Art von Dienstleistern. Wildes Unternehmen schließt eine Lücke, die die Digitalisierung und die sozialen Medien aufgetan haben: Das Kommunikationsverhalten der Menschen hat sich verändert. Gab es früher Probleme mit der Lieferung von Waren oder kamen Fragen zu einer Werbeaktion auf, suchte sich der Kunde die passende Abteilung im Unternehmen dafür. Heute werden Anfragen vermehrt zentral von einer Stelle aus gesteuert. Wildes Software organisiert, ordnet und verwaltet die Flut an Informationen und Anfragen.


45 Mitarbeiter hat die BIG Social Media GmbH. Vor allem Informatiker arbeiten für das Berliner Unternehmen. Sie legen Wissensdatenbanken an, programmieren die Algorithmen. Seit zehn Jahren gibt es die Firma. Start-up-Atmosphäre herrscht noch immer, zumindest was die Begeisterung für den Job angeht. Aber die Nachfrage, vor allem nach den Bots, hat die Firma schnell wachsen lassen. „Das Thema stand lange nur in der Spieleecke“, sagt Wilde. „Viele Serviceentscheider haben nicht an den Erfolg der Bots geglaubt.“ Heute ist den meisten Dienstleistern klar: Kundenservice am Telefon ist viel zu teuer. Service über Messenger oder soziale Netzwerke spart jede Menge Geld.


Die Programmierer nutzen einen einfachen Trick. In der Regel stellen die Kunden immer die selben Fragen. Warum funktioniert mein Internet nicht? Wo bleibt mein Paket? Wann kommt das neue iPhone? Anstelle eines menschlichen Mitarbeiters, der die immer gleichen Dialoge abspult, übernimmt der Bot, eine künstliche Intelligenz, die Anfrage. „Der Bot ist immer da“, sagt Geschäftsführer Wilde. Obwohl eine Maschine ihr Anliegen betreut, fühlen sich die Verbraucher gut aufgehoben. Schließlich spricht das Unternehmen mit den Kunden. Kein Frust beim Nutzer, kein Druck beim Servicepersonal. Kommt der Bot nicht weiter, gibt er in der Regel an den Menschen ab. Der berät dann in verzwickten Fällen. Oder wenn die Maschine schlichtweg nicht versteht, was der Mensch will.


Bot Otto will mir zeigen, wie ich mit dem Messenger Bilder zeichnen kann. Doch das interessiert mich nicht. „Gibt es einen Gruppenchat?“ frage ich. „Wenn Worte nicht ausreichen, kannst du auch ein GIF verschicken“, sagt Otto. Otto hat mich nicht verstanden.


Die Idee der Mensch-Maschine-Kommunikation gibt es seit den 1970er Jahren. Was damals als beschwerliche Programmieraufgabe galt, ist heute technisch kaum noch ein Problem. Für IT-Giganten wie Facebook oder Google ist die Arbeit mit künstlicher Intelligenz das Geschäftsmodell der Zukunft. Messenger-Dienste wie Whatsapp oder Signal nutzen bereits mehr als eine Milliarde Menschen auf der Welt. Längst geht es nicht mehr nur um die private Nutzung, um Kontakte zwischen Freunden und Familie. Sondern auch um geschäftliche Beziehungen. Bots übernehmen die Automatisierung der Kommunikation, und vereinfachen sie. „Bots müssen die Sprache verstehen und Probleme lösen können“, sagt Wilde.


Etwa über die Spracherkennung. Ein Beispiel: Wer ein Taxi braucht, meldet sich per Smartphone bei der zuständigen Zentrale. Eine getippte Nachricht ist nicht notwendig, sondern nur die gesprochene Anfrage. Automatisch findet der Bot den Standort des Kunden und schickt das Taxi los. Die Maschine soll perfekter sein als der Mensch, aber sie soll nicht für einen Menschen gehalten werden. „Es sollte für den Nutzer klar sein, dass er mit einem Bot spricht“, sagt Wilde.


Künstliche Intelligenz ist aus vielen Geschäftsmodellen, aus vielen digitalen Kommunikationsformen, nicht mehr wegzudenken. Aber auch IT-Experte Thomas Wilde weiß, dass die Technologie einen „unheimlichen Manipulationsspielraum“ hat. Die Debatte, um den Einfluss von Facebook auf die Wahl des nächsten US-Präsidenten, Donald Trump, hat dies gezeigt. Oder auch die Aussagen der AfD, Social Bots, als Kommunikationsmittel im Bundestagswahlkampf nicht auszuschließen. Diese Bots sollen dafür sorgen, dass Twitter-Tweets oder Nachrichten mit bestimmten Schlagworten automatisch weiterverbreitet werden. Die Politik sucht noch nach einer passenden Antwort auf die Manipulationsmacht von Algorithmen. Ob ein Gesetz Sinn macht, darüber streiten sich die Experten. Wilde spricht sich für Informationen und Aufklärung über die Nutzung der Technologie aus. Verbieten kommt für ihn aber nicht in Frage.


Hurra, das war's“, sagt Otto. „Du hast die Grundlagen kennengelernt.“ Otto ist zufrieden mit mir. „Leute teilen eine Menge Bilder. Jetzt bist du an der Reihe, sende mir ein Bild.“ „Tschüss Otto“, schreibe ich. „Das war leider nicht ganz richtig“, antwortet der Bot. Ich steige aus.

« Zurück | Nachrichten »