Der erneuerbare Kompromiss

Fragen und Antworten zu Gabriels Ökostrom-Gesetz und zur Einigung mit Brüssel

Teilen!

Von Hannes Koch

08. Apr. 2014 –

Die Kosten der Ökoenergie sollen zumindest während der Amtszeit der großen Koalition nicht mehr steigen. Diese Hoffnung äußerte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag, nachdem das Bundeskabinett seinem Reformentwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zugestimmt hatte. Entlastet werden die Verbraucher aber wohl nicht - unter anderem weil die Industrie ihre bisherigen Vergünstigungen behält.

 

Worum geht es bei der Reform?

Die Ökoumlage, die die Privathaushalte und meisten Firmen für die Förderung der erneuerbaren Energien bezahlen, ist in den vergangenen Jahren stark auf mittlerweile 6,2 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde (kWh) Strom gestiegen. Die Reform soll diesen Anstieg für die Zukunft auf ein Minimum begrenzen. Außerdem muss das Gesetz überarbeitet werden, weil die EU-Kommission die Ausnahmeregeln für sogenannte stromintensive Unternehmen kritisiert.

 

Was bedeutet Gabriels Vorschlag für die Verbraucher?

„Ich glaube, dass die Stabilisierung der EEG-Umlage bis 2017 gelingt“, sagte Gabriel. Damit fiele ein Faktor weg, der den Strompreis für die Privathaushalte in den vergangenen Jahren wachsen ließ. Gabriels Staatssekretär Rainer Baake wagte unlängst die Prognose, die Regierung begrenze die Umlage bis 2020 auf etwa sieben Cent. Genaue Zahlen dazu finden sich im Gesetzentwurf allerdings nicht. Im Übrigen können die Kosten für Elektrizität grundsätzlich auch aus anderen Gründen zunehmen – beispielsweise weil die Unternehmen höhere Ausgaben auf die Kunden umlegen.

 

Was ändert sich für Unternehmen mit hohem Stromverbrauch?

Gabriel zufolge werden stromintensive Unternehmen in Deutschland wie bisher Ausnahmen im Wert von rund fünf Milliarden Euro jährlich genießen. Um diese Summe sinkt der Betrag, den sie eigentlich als Ökoumlage zahlen müssten – ein Viertel der gesamten Fördermittel. Die Privathaushalte und die Mehrheit der Firmen tragen diese Belastung zusätzlich. Weil aber die EU Druck macht, sollen von gegenwärtig rund 2.100 begünstigten Unternehmen laut Gabriel „knapp 400“ künftig stärker an der Umlage beteiligt werden als bisher. Sie müssen allerdings nicht den vollen Beitrag zahlen, sondern nur 20 Prozent. Unternehmen, die viel Strom verbrauchen oder in starker Konkurrenz stehen, sollen künftig 15 Prozent der regulären EEG-Umlage übernehmen. Allerdings kann ihr Beitrag bis auf 0,5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung (Produktwert minus Vorleistungen) begrenzt werden. Aufgrund dieser Neuregelung werden manche der begünstigten Betriebe mehr zahlen als bisher, andere weniger.

 

Und für Firmen, die selbst Strom produzieren?

Einige Unternehmen betreiben eigene Kraftwerke. Diese bestehenden Anlagen bleiben von der Ökoumlage ausgenommen. Neue Firmenkraftwerke hingegen sollen künftig für ihren selbstproduzierten Strom grundsätzlich ein Fünftel der normalen Umlage entrichten. In Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Privathaushalten wird es die Hälfte sein. Diese Regel gilt auch für neue, große Solaranlagen auf Hausdächern, kleine bis zur Leistung von zehn Kilowatt sind ausgenommen.

 

Wie sieht es bei der Bahn aus?

Die Deutsche Bahn AG und andere Schienenunternehmen müssen bis zu einem Jahresverbrauch von zwei Gigawattstunden Strom die volle Ökostrom-Umlage abführen, für größere Mengen Energie nur noch 20 Prozent. Unklar ist, welche Folgen das für die Ticketpreise hat.

 

Geht die Energiewende weiter?

Ja, aber vielleicht etwas langsamer als bisher. 2035 soll bis zu 60 Prozent des Stroms in Deutschland aus regenerativen Quellen fließen, vor allem Wind-, Sonnen- und Biomasse-Kraftwerken, 2050 dann 80 Prozent. Allerdings will die Regierung die Anzahl der Anlagen begrenzen, die sie jährlich zusätzlich fördert. Das gilt vor allem für Windkraftwerke an Land und Biomasse.

 

Was heißt das für die Betreiber von Ökokraftwerken?

Windanlagen an Land und Biomasse bekommen teilweise weniger Förderung pro Kilowattstunde Strom als heute. Das sogenannte Grünstromprivileg fällt weg. Lieferanten von Ökostrom wie Greenpeace Energy oder die Elektrizitätswerke Schönau sagen, dass ihr Geschäftsmodell dadurch schwieriger werde. Ab 2017 soll es keine festen Fördersätze mehr geben. Die Regierung will die garantierte Vergütung für Ökostrom dann per Ausschreibung ermitteln lassen. Der Kostendruck für die Betreiber dürfte steigen. Es ist fraglich, ob kleinere Genossenschaften und Bürgerenergiefirmen dabei mithalten können.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Große Änderungen nehmen die Regierungsfraktionen im Bundestag wohl nicht mehr vor. Die im Bundesrat vertretenen Länder haben sich in der vergangenen Woche im Wesentlichen einverstanden erklärt. Gabriels Entwurf wird also vermutlich im Sommer in Kraft treten.

« Zurück | Nachrichten »