Der Fonds steht auf dem Prüfstand

Schätzer erwarten Milliardenloch bei Krankenkassen / Zusatzbeiträge für Arbeitnehmer wahrscheinlich / Schwierige Koalitionsverhandlungen erwartet

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Von Wolfgang Mulke

07. Okt. 2009 –

Die Krankenkassen geraten durch die Wirtschaftskrise und steigende Kosten allmählich ins Minus. Der Schätzerkreis der Bundesregierung rechnet mit einem Defizit von 7,45 Milliarden Euro in diesem und dem kommenden Jahr. Für die Versicherten ist dies keine gute Nachricht. Nach Ansicht der meisten Experten werden viele Kassen 2010 von den bei ihnen versicherten Arbeitnehmern Zusatzbeiträge erheben. Diese Abgabe müssen die Kassenmitglieder alleine übernehmen. Mehr als ein Prozent des Einkommens, höchstens 36,75 Euro monatlich, darf der Zusatzbeitrag nicht kosten.


Wie das Defizit der Kassen ausgeglichen wird, ist noch offen. Die Finanzkonstruktion der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) ist kompliziert und lässt verschiedene Möglichkeiten offen. Grundsätzlich sammelt der Gesundheitsfonds bei jedem Versicherten denselben Anteil vom Gehalt ein. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 14,9 Prozent. Jede Krankenkasse erhält aus dem Fonds für jedes Mitglied einen festgelegten Betrag. Darüber hinaus erhalten Kassen mit vielen Kranken einen Ausgleich für ihre ungünstigere Mitgliederstruktur. Alle Ausgaben des Fonds betragen zusammen genommen in diesem Jahr rund 167 Milliarden Euro.

Wenn die Einnahmen nicht mehr ausreichen, um alle Kosten der GKV zu decken, hängt das weitere Verfahren von der Tiefe des Kassenlochs ab. Kommen in zwei aufeinander folgenden Jahren weniger als 95 Prozent der Ausgaben herein, muss die Bundesregierung die Beiträge zur Krankenkassen erhöhen. Ansonsten müssen die Kassen das Minus allein ausgleichen.


Um eine Beitragserhöhung kommt der Bund nach den jüngsten Zahlen der Schätzer vorläufig herum. Die den Krankenkassen fehlenden Milliarden müssen also anders ausgeglichen werden, zum Beispiel durch Kosteneinsparungen bei der Krankenkasse selbst. Wenn das nicht reicht, werden bei den Mitgliedern Zusatzbeiträge eingetrieben. Das wollen die Krankenkassen möglichst lange vermeiden, weil sie dann schnell Mitglieder an Konkurrenten verlieren. Der GKV-Spitzenverband wagt noch keine Prognose dazu. „Wenn mehrere Milliarden fehlen, werden die meisten Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben“, befürchtet Sprecher Florian Lanz.


Die komplizierte Konstruktion ist gewollt. Sie soll den Wettbewerb unter den Kassen forcieren. Die Folgen sind bereits sichtbar, in dem immer mehr schwache Kassen mit starken fusionieren, wie zuletzt die Gmünder mit der Barmer. Anfang des letzten Jahrhunderts gab es noch 20.000 Krankenkassen in Deutschland, Ende der achtziger Jahre noch 1.000, heute sind es noch 184. Noch-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hält weniger als 50 für ausreichend.


Der Fonds als Kernstück der letzten Gesundheitsreform ist vor den heute beginnenden Koalitionsverhandlungen von Union und FDP umstritten. Beobachter erwarten hier sehr schwierige Gespräche, denn die Positionen liegen in einer entscheidenden Frage weit auseinander. Die Liberalen wollen das Gesundheitssystem auf ganz neue Füße stellen und den Gesundheitsfonds abschaffen. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits kategorisch abgelehnt.


Wenn alles beim Alten bleibt, müssen die Unterhändler an anderen Stellschrauben drehen, damit ein für beide Seiten zufrieden stellendes Ergebnis herauskommen kann. Im Gespräch ist zum Beispiel, die Begrenzung des Zusatzbeitrages auf ein Prozent des Einkommens aufzuheben. Damit könnten die Krankenkassen die Höhe ihrer Beiträge faktisch wieder selbst festlegen. Die Abgesandten diskutieren auch ein Bonbon für die Arbeitgeber. So könnte deren Beitrag für alle Zeiten festgeschrieben werden. Künftig steigende Gesundheitskosten müssten die Arbeitnehmer dann alleine abfangen. Dies würde den Kostenfaktor Arbeit zwar nicht weiter verteuern, doch die Beschäftigten stärker belasten.


Die CSU strebt zudem eine Regionalisierung der Beiträge an. So könnte der Abfluss von Mitgliedsbeiträgen aus reicheren in ärmere Regionen verhindert werden. Bayern würde von dieser Variante erheblich profitieren. Für denkbar gehalten wird aber auch die Vertagung des Konfliktes auf das kommende Jahr, um das Gesundheitssystem dann noch einmal ganz zu renovieren.



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