Der Investor staunt und kämpft

Mit Enteignung droht der Bundestag dem Miteigentümer der maroden Bank Hypo-Real-Estate. Christopher Flowers gibt sich nicht geschlagen. Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages

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Von Hannes Koch

16. Mär. 2009 –

Christopher Flowers ist erstaunt. Ein bisschen steif steht er vor dem Tisch mit dem Mikrophon darauf. Die Gläser der runden Hornbrille lassen die Augen noch größer erscheinen, als sie sind. Der Blick des 51jährigen Investors schweift über die Kamerateams, die sich zu Dutzenden um ihn herumdrängeln. Er versucht es mit amerikanischer Lässigkeit, sagt „Hi, nice to meet You“ und lächelt gewollt.


Mit einer solchen Situationen hat Flowers nicht gerechnet. Nicht nur war er am Montag gezwungen, dem Finanzausschuss des Bundestages in aller Öffentlichkeit sein sonst verborgenes Tun zu erläutern. Dass ihm das deutsche Parlament die Enteignung seines Besitzes an der Münchner Bank Hypo Real Estate (HRE) androht, ist eine neue Erfahrung. Beschließt der Bundestag das Gesetz – und darauf deutet vieles hin – könnte J. Christopher Flowers, Chef der gleichnamigen Investmentfirma aus der Fifth Avenue in New York City, der erste Bankeigentümer seit ziemlich langer Zeit sein, der in einem marktwirtschaftlichen Staat enteignet wird.


Schuld daran ist nicht der Investor, sondern der frühere Vorstand der HRE. Die Hypo Real Estate hat gigantische Verluste erwirtschaftet. Banken und Bundesregierung haben das marode Institut deshalb mit bislang 102 Milliarden Euro unterstützt, um seine Insolvenz und den befürchteten Zusammenbruch des bundesdeutschen Finanzsystems zu vermeiden.


Angesichts derartiger Summen öffentlichen Geldes will Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) in der Bank nun das alleinige Sagen haben. Als letzte Konsequenz sieht das „Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes“ daher die Enteignung widerspenstiger Aktionäre vor. In der CDU-CSU-Fraktion und vor allem bei der FDP gibt es massive Kritik an dieser unerwarteten Form der Staatsintervention. Die Befragung von Experten und Investor Flowers selbst im Finanzausschuss nutzten manche Abgeordnete denn auch, um einen letzten Versuch der Entschärfung des Gesetzentwurfs zu unternehmen.


Und Christopher Flowers kämpfte für sein Geld. Im Sommer vergangenen Jahres hatte er 24,9 Prozent der damals schon angeschlagenen HRE gekauft. Der Anteil kostete ihn und seine Geldgeber rund 1,1 Milliarden Euro. Heute ist dieses Paket nur noch etwa 40 Millionen Euro wert. Ungefähr diese Summe würde der Investor als Entschädigung erhalten, sollte es zur Enteignung kommen. Das findet er zu wenig. „Es gibt die Perspektive einer langfristigen Erholung der HRE“, sagte Flowers im Ausschuss.


Das bestritt Hannes Rehm nicht. Der Chef der Soffin, der Bundesanstalt für Bankenrettung, bezeichnete Flowers Versuche, weiter mitzumischen, dennoch als „Trittbrettfahrerei“. In dieser Einschätzung war Rehm sich mit Bundesbank-Vorstand Axel Weber einig. Der stellte die rhetorische Frage, ob die Münchner Bank denn heute überhaupt noch einen „positiven Unternehmenswert“ aufweise. Mit anderen Worten: Ohne die riesigen öffentlichen Investitionen hätten die Anteile von Investor Flowers schon jeglichen Wert verloren. Aus einer derart schwachen Position heraus, so erklärten auch andere Gutachter, könne Flowers nicht mehr den Anspruch auf weitere Beteiligung ableiten.


Gegen den US-Investor positionierte sich im Ausschuss auch Jochen Sanio. Der Chef der deutschen Bankenaufsicht plädierte an die Abgeordneten, das Gesetz inklusive der Enteignungsmöglichkeit zügig zu verabschieden. Sein Argument: Werde die HRE nicht bis Ende März mit zusätzlichen Milliarden Euro aus Staatskassen stabilisiert, müsse das Institut möglicherweise Insolvenz anmelden. Sanio warnte damit vor nichts geringerem als einem ähnlichen Fall wie dem Bankrott der US-Bank Lehman Brothers, mit dem die Finanzkrise erst so richtig in Schwung kam.


Flowers augenblickliche Lage ist diese: Entweder er stimmt einem Kompromiss zu und verkauft seine Anteile für vielleicht 100 Millionen Euro an den Bund. Oder er wird enteignet – und bekommt nur den jetzt gültigen Preis von rund 40 Millionen.

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