Der Konflikt bleibt
Kommentar zur Endlagersuche von Hannes Koch
11. Apr. 2014 –
Noch nie waren die Aussichten so gut, den bitteren Konflikt um das Atomendlager zu lösen. An welchem Ort in Deutschland sollen die hochradioaktiven Abfälle vergraben werden, die beim Betrieb der Atomkraftwerke entstehen? Das ist die einfach gestellte, doch so schwer zu beantwortende Frage. Am Donnerstag wurde nun ein neuer Anlauf unternommen, nachdem diverse Ansätze in den vergangenen Jahrzehnten gescheitert waren. Der Bundestag hat eine Kommission eingesetzt, die die offene Suche nach einem geeigneten Platz möglichst im Konsens organisieren soll. Vertreter aller Bundestagsparteien können daran teilnehmen, die Kritiker haben ebenfalls Sitz und Stimme. Das alles sind große Fortschritte. Trotzdem muss man befürchten, dass der Kampf damit nicht beendet ist.
Denn die Umweltverbände verweigern die Mitarbeit in der Kommission. Sie fühlen sich als Vertreter der atomkritischen Bürgerinitiativen und fordern deshalb, dass der bisher anvisierte Endlager-Standort im niedersächsischen Gorleben ad acta gelegt wird. Der Standort soll auf keinen Fall weiterhin im Rennen bleibt. Die Anti-Atom-Gruppen, die seit fast vier Jahrzehnten gegen das geplante Atommüllzentrum im Landkreis Lüchow-Dannenberg protestieren, wollen eben nicht erleben, dass die Anlage doch noch gebaut wird. Was aber, wenn Gorleben nach der neuen Suche als der am besten geeignete Standort übrigbleibt? Das ist unwahrscheinlich, aber möglich. Diese Variante möchten die Anti-AKW-Aktivisten unbedingt ausschließen. Man kann eine solche Position als engstirnig, egoistisch und undemokratisch betrachten, nachvollziehbar ist sie trotzdem.
Andererseits lässt sich Gorleben aus dem neuen Suchverfahren nicht grundsätzlich verbannen. Wie sollte die bayerische, baden-württembergische, hessische oder nordrhein-westfälische Landesregierung den Wählern erklären, dass möglicherweise ein heimischer Ort ausgewählt wird, während Gorleben in Niedersachsen ohne erneute Prüfung den Joker zieht und ausscheidet? Dieser Widerspruch zwischen den Interessen der lokalen Atomgegner und der Regierungen ist kaum zu lösen.
Wenn kein Wunder geschieht, wird also auch dieser Schlichtungsversuch den gesellschaftlichen Langzeitkonflikt um die künftige Atommüllkippe nicht beseitigen. Wir sollten nicht damit rechnen, dass am Ende des Verfahrens ein Konsens steht. Das erscheint bedauerlich, ist aber normal. Manche Gegensätze lassen sich einfach nicht aus der Welt schaffen. Dies gilt nicht nur für Gorleben, sondern für jeden anderen möglichen Standort des Atomendlagers. Ist der Platz erst einmal gewählt, werden die Anwohner dagegen sturmlaufen. Wer will schon Nuklearmüll in seiner Heimat, der hunderttausende Jahre strahlt? Durch das neue Verfahren ist das Konfliktpotenzial niedriger als früher, aber verschwunden ist es nicht.