Der langen Schatten des eingestürzten Fabrikgebäudes

Auch ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Textilfabriken in Bangladesh sperren sich Unternehmen gegen ausreichende Entschädigungen. TÜV Rheinland weist Zweifel an Prüfbericht zurück

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Von Hannes Koch

23. Apr. 2014 –

Über 1.100 Menschen starben vor einem Jahr beim Zusammenbruch des Gebäudes Rana Plaza in Bangladesh, in dem auch deutsche Textilfirmen Kleidung produzieren ließen. Wenige Monate zuvor hatte die Tochter des TÜV Rheinland in Indien eine Textilfabrik in dem Komplex überprüft. Zweifel an der Güte dieses Berichts äußert nun die Menschenrechtsorganisation ECCHR. Deren Berliner Juristin Miriam Saage-Maaß sagt: „Der TÜV Rheinland hat möglicherweise die Konstruktionsqualität und die Baugenehmigungen des Gebäudes nicht ausreichend kontrolliert.“

 

Die Organisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) leistet Arbeitern und deren Familien juristische Hilfe, die beim Einsturz des Gebäudes verletzt oder getötet wurden. Der TÜV Rheinland weist die Zweifel an seinem Prüfbericht jetzt zurück. Dessen Mitarbeiter hätten „keine bautechnischen oder statischen Untersuchungen“ vorgenommen, so Hartmut Müller-Gerbes, Sprecher des TÜV Rheinland. „Dafür sind sie gar nicht ausgebildet. In diesem Bereich sind wir in Bangladesch nicht tätig.“

 

Vor genau einem Jahr, am 24. April 2013, stürzte das achtstöckige Gebäude in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh, ein. Untersuchungsberichten der Regierung zufolge war es illegal aufgestockt und mangelhaft gebaut worden. Die Nachrichten über die hohe Zahl der Opfer und die Zustände in der Textilindustrie von Bangladesh lösten international Empörung aus. Deshalb waren einige Textilunternehmen bereit, Geld in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen. Die Position der Gewerkschaften wurde gestärkt, die Regierung von Bangladesh erhöhte den Mindestlohn für Arbeiter.

 

Ein Vertreter des TÜV Rheinland India hatte die Textilfabrik Phantom Apparels im Rana Plaza-Gebäude noch im Juni 2012 besucht. Der „BSCI Social Audit Report“ mit dem Datum 30. Dezember 2012 liegt dieser Zeitung vor. BSCI ist der Sozialstandard der Business Social Compliance Initiative, an der fast 1.200 international tätige Firmen teilnehmen.

 

In dem Bericht des TÜV ging es vornehmlich um Löhne, Gesundheitsschutz und andere soziale Bedingungen in der Fabrik. Aber auch der Bauzustand des Gebäudeteils, in dem die Fabrik untergebracht war, spielte eine Rolle. Der Bericht benennt beispielsweise die „gute Konstruktionsqualität“. Die notwendigen Genehmigungen seien vorhanden. TÜV Rheinland sagt dazu: „Der Fokus bei BSCI-Audits liegt auf dem Management, der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und auf den Arbeitsbedingungen. Bei der Besichtigung eines Betriebes gewinnen die Auditoren“ nur „einen allgemeinen Eindruck der Räume und des Arbeitsumfeldes“.

 

ECCHR fragt jedoch unter anderem, ob dem TÜV-Auditor nicht hätte auffallen müssen, dass der Besitzer des Rana Plaza-Gebäude keine gesetzlich gültige Baugenehmigung vorweisen konnte. Dies stellte die eigentlich zuständige Entwicklungsbehörde von Bangladesh nach der Katastrophe fest, so ECCHR. Eine Überprüfung der Dokumente sei jedoch nicht Gegenstand der Kontrolle gewesen, heißt es dazu beim TÜV.

 

Währenddessen beklagt die Kampagne für Saubere Kleidung, die sich für die Opfer einsetzt, dass bisher zu wenige der internationalen Textilkonzerne in den Entschädigungsfonds eingezahlt hätten. Erst ein Drittel der notwendigen und vereinbarten rund 29 Millionen Euro sei vorhanden. Als deutsche Firmen, die „Verbindungen zu Rana Plaza“ gehabt hätten und mehr Mittel bereitstellen müssten, nennen die Kritiker unter anderem Adler Modemärkte, NKD und KiK.

 

Adler sagt dazu, die Firma „sieht sich nicht in der Verpflichtung, in einen Fonds einzuzahlen.“ Zu keinem Zeitpunkt habe ein Geschäftsverhältniss mit Firmen aus dem Rana Plaza-Komplex bestanden. „Adler wird in diesem Zusammenhang genannt, weil ein Lieferant vertragsbrüchig gehandelt hat und ohne Wissen zwei Aufträge an einen Betrieb im Rana Plaza weiter gegeben hat“, so ein Sprecher. Man habe aber „Soforthilfe für Betroffene und Hinterbliebene geleistet“.

 

„NKD hat zum Unfallzeitpunkt bei keinem der in Rana Plaza ansässigen Unternehmen produzieren lassen“, erklärt NKD-Sprecher Jörg Roßberg. Deshalb sollten „zuerst diejenigen einen Beitrag leisten, die diese Tragödie verursacht haben“. KiK dagegen hat nach eigenen Angaben rund 360.000 Euro in den Entschädigungsfonds eingezahlt. Die gleiche Summe sei den Opfern zusätzlich mittels Hilfsprojekten zur Verfügung gestellt worden.

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