Der Müllberg schrumpft nicht

Mit intelligenten Ideen kann man Abfall reduzieren. Doch die Politik tut sich schwer.

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Von Hannes Koch

23. Mai. 2014 –

Erfolg: Die Menge des Mülls, die Bürger und Unternehmen in Deutschland hinterlassen, wächst nicht mehr. So benötigt beispielsweise die Industrie für die gleiche Produktionsmenge weitaus weniger Rohmaterialien als früher. Trotz Wirtschaftswachstums bleibt das Aufkommen an Abfall damit gleich. Aber der Müllberg schrumpft auch nicht – entgegen der erklärten Absicht der Bundesregierung. Bei der Tagung „Wider die Verschwendung“ Ende dieser Woche forderte Maria Krautzenberger, die neue Chefin des Umweltbundesamtes (UBA), deshalb mehr Ehrgeiz: „Es gilt, die anfallende Abfallmenge von vornherein zu verhindern."

 

Wie man das schaffen kann, macht die Gemeinde Mettlach im Saarland vor. Sie hat ein "Rückkonsumzentrum" für die 13.000 Einwohner nach Luxemburger Vorbild eingerichtet. Das ist eine Art Drive-In für Reststoffe, die dort sauber in 40 verschiedenen Kategorien getrennt werden – viel mehr als in den normalen kommunalen Sammelstellen. Bezahlen müssen die Bürger dafür nichts, außer für asbesthaltige Baustoffe, Bauschutt oder Autoreifen. Damit sich der Aufwand für die Einwohner auch lohnt, sparen sie zuhause Müllgebühren. Je weniger in die eigene Tonne kommt, desto billiger wird es.

 

Auf dem Gelände des Zentrums gibt es zudem eine Tauschbörse für gebrauchte Gegenstände wie Spielzeug oder Bücher. Der Erfolg des Systems spricht für sich. 2011 kamen auf jeden Einwohner noch ein 245 Kilogramm Restabfall oder Sperrmüll. 2013 waren es nur noch 126 Kilogramm. Zudem erhielten die Sammler pro Kopf 81 Kilogramm Wertstoffe. "Das Mettlacher Modell bietet einen perfekten Verbraucherservice", findet die Deutsche Umwelthilfe, die die Umsetzung des Projektes unterstützt hat.

 

330 Millionen Tonnen Müll kommen in Deutschland jährlich zusammen. Den größten Anteil stellt der Bauschutt mit 200 Millionen Tonnen. Aber auch die sogenannten Siedlungsabfälle, also beispielsweise der Hausmüll, machen mit 50 Millionen Tonnen einen beträchtlichen Teil aus. Und nur 14 Prozent der in der deutschen Wirtschaft eingesetzten Rohstoffe stammen aus wiederverwertetem Material.

 

Deutschland ist bei der Reduzierung von Müll schon ein gutes Stück vorangekommen – auch dank fortschrittlicher Regulierungen wie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz. Aber manches dauert eben auch sehr lange. Beispiel: die Strategie der Bundesregierung zur Abfallvermeidung. Vor fast einem Jahr wurde sie verabschiedet. Zur Umsetzung geschehen ist bis heute fast nichts.

 

Außer der Tagung des UBA in dieser Woche. Nun soll es aber losgehen. Für den kommenden Herbst hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Wertstofftonne angekündigt. Diese wird das heutige Duale System (Gelber Sack) zur Sammlung von Verpackungsabfällen ersetzen. Neben Verpackungen können die Bürger damit künftig beispielsweise auch Kinderspielzeug aus Plastik, Schaumstoffe und alte Küchengeräte aus Metall entsorgen.

 

Die Bundesregierung muss sich auch deshalb bewegen, weil die Bundesländer Druck machen. So hat kürzlich die Landesregierung von Rheinland-Pfalz einen Antrag für die bundesweite Einführung der Wertstofftonne in den Bundesrat eingebracht. "Das System muss einfacher, klarer und ambitionierter werden", sagt Wirtschaftsministerin Eveline Lemke von den Grünen. Bezahlen soll dies wie schon bisher der Handel. Die Entsorgung und das Recycling würden private Firmen wie das Duale System übernehmen.

 

Ein Blick auf die Analysen des Umweltbundesamtes zeigt, dass das Abfallproblem schon bei der Herstellung und dem Marketing rund um den Konsum beginnt. Es gibt immer mehr Produkte im Handel, und die Innovationszyklen werden kürzen. So sind beispielsweise Computer nach einer vergleichsweise kurzen Periode technisch gar nicht mehr in der Lage, die neuesten Programme zu verarbeiten. Sie werden dann ersetzt. Die alten Geräte enden in großer Zahl als Schrott.

 

Aber auch die schneller wechselnden Modetrends führen zu schnelleren Neukäufen. "Aktionen des Handels wie 'Nimm drei, zahl zwei' und vielerorts zahlreiche Schnäppchenangebote lassen wichtige Aspekte wie Qualität, Langlebigkeit, Service im Fachhandel oder Produktionsbedingungen in den Herstellerländern außen vor", kritisiert die UBA-Chefin. Kopfzerbrechen bereitet dem Amt auch der bislang allerdings nicht bewiesene Hang von Unternehmen, ihren Erzeugnissen vorsätzlich eine geringe Lebensdauer einzubauen (geplante Obsoleszenz, siehe weiterer Artikel). In diesen Punkten liegen ebenfalls Ansatzpunkte für die Vermeidung von Abfällen.

 

Aber es gibt auch Beispiele dafür, wie es besser gehen kann. Das Mettlacher Vorbild ist eines, die Internetfirma asgoodasnew.com in Frankfurt/Oder ein anderes. Der Name bedeutet auf deutsch "so gut wie neu" - und das ist mit dem Angebot des Unternehmens auch gemeint. Die Gründer kaufen ausrangierte Konsumelektronik an, überholen die Geräte gründlich und verkaufen sie dann bis zu 30 Prozent billiger als sie neu im Geschäft kosten. Obendrein gibt es für die Käufer eine 30 Monate währende Garantiezeit, auch für Apple-Produkte. So verlängert sich die Lebenszeit der Ware und die Müllmenge wird reduziert.

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