Der Schweinefleischverkäufer
Gerd Müller, CSU-Politiker, ist der neue Bundesentwicklungsminister: Im Agrarministerium sind viele froh, ihren bisherigen Staatsekretär loszuwerden.
22. Dez. 2013 –
Gut, dass er nicht mehr jung ist. Gerd Müller, CSU, neuer Bundesentwicklungsminister, heute 58 Jahre. Er hat die Todesstrafe für Rauschgifthändler gefordert. Der Chefredakteur des bayerischen Rundfunks kippt die Nachricht aus dem „Rundschau-Telegramm“, sagt, Politiker müssten gelegentlich vor ihren eigenen Dummheiten geschützt werden. Das war 1989 und Müller Vorsitzender der bayerischen Jungen Union.
Ein Jahr zuvor knöpft sich CSU-Parteichef Franz-Josef Strauss den damals 33-jährigen Müller vor. Er sei „pubertär und lausbübisch“. Die Bayerischen CSU-Junioren wollten der Mutterpartei mit eigenen Liste bei den Kommunalwahlen Konkurrenz machen. In der Folge, so schrieb damals süffisant der Spiegel, sei Müllers Aufstieg vom „Aushilfspressesprecher“zum „Ministerialbeamten auf Lebenszeit“ im bayerischen Wirtschaftsministerium im Landtag öffentlich diskutiert worden. Der sei dann „lieber für eine Weilchen auf ´Urlaub von der Politik`“ gegangen.
Das Weilchen ist vorbei, Müllers CSU-Karriere geradlinig geworden. Trotzdem hat niemand mit ihm als Minister gerechnet. Für Außenstehende ist er der „Gerd-Wer?“. Für CSUler bedient er als Schwabe den Regionalproporz. Zudem: Katholik, verheiratet, Vater zweier Kinder. Leute, die ihn in seinem bisherigen Job beobachtet haben, darunter hohe Beamte, halten die Personalie indes für „den größte Skandal der Regierungsbildung“.
Sie sagen nichts öffentlich, aber hinter vorgehaltener Hand. Einer: „Der hat bisher nur Schweinefleisch und Mähdrescher ins Ausland verkauft“. Der andere: „Der denkt nur an die deutschen Unternehmer.“ Oder noch so ein Satz: „In so einem diplomatisch sensiblen Umfeld – was soll der da?“
Müller, den Horst Seehofer vor acht Jahren als Agrarminister zum parlamentarischen Staatssekretär nach Berlin holte, sieht das freilich anders. Er wollte sich zwar nicht in dieser Zeitung äußern. Im Bayerischen Rundfunk hat er aber bereits aufgezählt, höflich lächelnd: Fünf Jahre Europaabgeordneter. Bis 2005 außenpolitischer Sprecher der CSU. Im Agrarministerium die letzten Jahre verantwortlich für die Außenwirtschaft und Welternährung.
Und er werde sich kümmern – um Arbeit für Menschen in Afrika, damit sie nicht zu „Millionen zu uns kommen“, um „Welternährung“ und um die „Milleniumsziele“, die sich die Staatengemeinschaft schon zur Jahrtausendwende gesetzt hat.
So sollte etwa die Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 halbiert werden - im Vergleich zu 1990. Daran weiter zu arbeiten, an einer Post-2015-Agenda, ist das große entwicklungspolitische Projekt. Bisher hat sich zu wenig getan. Das hat auch mit Müller zu tun.
Eigentlich verteidigen Parlamentarische Staatssekretäre die Politik der Ministerin oder des Ministers, halten die Verbindung zu den Abgeordneten. Müller hat das gemacht. Aber nicht nur. Er bildete zugleich einen engen Zirkel von Vertrauten, im Ministerium „Küchenkabinett“ genannt, und verfolgte seine persönliche Agenda – weltweite Erfolge für deutsche Firmen, Molkereien, Schlachtkonzerne oder Hühnerzüchter.
Dagegen spricht zunächst nicht viel. Müller war der Mann für die „Nationale Exportstrategie“. Er reiste nach Russland, nach Afrika, durch die Welt und kam an: Allein in diesem Jahren stiegen die Agrarausfuhren im Vergleich zu 2012 um gute sechs Prozent. Nur: Entwicklungsexperten halten von Müllers bisheriger Außenwirtschaft in der Regel nur eins – nichts.
Denn die subventionierten deutschen Exporteure drängen mit ihrer pulverisierten Milch, mit ihren tiefgefrorenen Hühnerschenkeln die kleineren Bauern in den Entwicklungsländern vom Markt.Müller wird in den nächsten vier Jahren mit dem Vorwurf zu kämpfen haben, zu nah dran zu sein an der deutschen Wirtschaft.
2011, eine Anzeigenkampagne in der Bild zu gesunder Ernährung und mehr Bewegung finanziert mit 340.000 Euro von der Drogeriekette dm. Müller, mit Foto, gibt Tipps wie „Öfter mal zu Fuß gehen“. „Im Sommer besonders wichtig: Viel trinken.“ Und zwar immer neben der Anzeige des großen Drogeriemarktes. Ohne Distanz.
Das sagte man auch seinem Vorgänger im Entwicklungsministerium nach, dem FDP-Politiker Dirk Niebel. Entwicklungshilfe muss auch deutschen Interessen dienen. Niebel vertrat das offen. Er machte sich damit nicht viele Freunde, war ohnehin umstritten, weil er zuhauf alte FDP-Kollegen in Ämter hievte. Es könne nur besser werden, heißt es in dem Ressort.
Dabei sind im Agrarministerium viele froh, dass Müller weg ist. Dem promovierten Wirtschaftspädagogen wird nachgesagt schon mal „wirsch“, „patzig“, „unsouverän“ zu sein, er könne mit anderen Auffassungen „nicht umgehen“. Doch nach Niebel, hört man, habe jeder eine Chance verdient.
„Müller kann das Amt mit Elan angehen,“ sagt auch Marita Wiggerthale von der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam. Die CSU höre bestimmt nicht gerne, wie es jetzt heißt, dass sie bei der Ressortverteilung zurecht gestutzt worden sei. Dem könne sie entgegentreten, wenn Müller dem Ministerium neue Schlagkraft verleihe.
Müller verweist auf die Tradition der CSU-Entwicklungsminister: Zum Beispiel Carl-Dieter Spranger von 1991 bis 1998. Den lobte einst CSU-Chef Theo Waigel, weil allein im Jahr 1996 rund 26 Prozent der Aufträge des Bundesentwicklungsministeriums nach Bayern gegangen waren.
Als Horst Seehofer am letzten Sonntag die Namen der CSU-Minister im Bundeskabinett verkündete, sagte er „Der Minister kriegt da ganz große Aufträge“. Und: „Wir haben da starke Interessenvertreter für unsere Anliegen.“ Es entwickelt sich blau-weiß.
Kasten:
Der Name: Gerd Müller wird gerne verwechselt mit seinem Namensvetter, dem FC-Bayern Fußballspieler den sie den „Bomber der Nation“ nannten.
Das Leben: Müller, 1955 geboren, wächst auf dem elterlichen Hof in Schwaben auf, macht eine kaufmännische Lehre, studiert Wirtschaftspädagogik. Danach Promotion: Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Da amtierte er schon als Landesvorsitzender dieser Jungen Union. Fünf Jahre ist er dann Abgeordneter im Europäischen Parlament, ehe er 1994 in den Bundestag einzieht.
Das Besondere: Das Geld für sein Studium verdiente er sich auch als Mähdrescherfahrer. Politisch geprägt haben ihn Männer wie Theo Waigel.