„Der Staat sollte sich aus der Betriebswirtschaft heraushalten“

Wirtschaftsweiser Peter Bofinger plädiert für ein neues Primat der Politik, betrachtet aber die Verstaatlichung von Banken nur als Notlösung

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Von Hannes Koch

25. Jan. 2009 –

Hannes Koch: Die Wirtschaftseliten sind in der Defensive. Wird das neue Primat der Politik von Dauer sein?

 

Peter Bofinger: Wir erleben gerade einen schweren Unfall des Kapitalismus. Trotzdem ist die Gefahr groß, dass die, die das Sagen haben, schnell in ihr altes Fahrwasser zurückkehren. Es gibt die Haltung: Der Staat ist das Problem, nicht die Lösung. Diese Grundströmung ist nach wie vor sehr stark.

 

Koch: Aber zur Zeit verschiebt sich das Kräfteparallelogramm zugunsten der Politik.

 

Bofinger: Das ist ein sehr eindrucksvoller Prozess. Gestern habe ich einen Text von mir vom November 2007 erneut gelesen. Damals habe ich massiv dagegen argumentiert, Banken und Unternehmen zu verstaatlichen.

 

Koch: Dass die Verstaatlichung notwendig würde, haben auch Sie nicht für möglich gehalten?

 

Bofinger: Niemand hat das vorausgesehen. Ich finde es aber gut, dass die Politik jetzt so pragmatisch handelt. Sonst wäre es zur Katastrophe bekommen. Wohin marktwirtschaftliche Prinzipientreue führt, haben wir an der Pleite der Lehman-Bank in den USA gesehen. Die US-Regierung nahm an, dass der Markt den Bankrott einer Großbank verkraftet. Das hat sich als Trugschluss erwiesen.

 

Koch: Sie plädieren für einen Pragmatismus, der weder der Markt- noch der Staatsideologie zuneigt. Warum soll der Staat Banken, die von ihrem Management heruntergewirtschaftet wurden, nicht pleite gehen lassen?

 

Bofinger: Weil man damit möglicherweise riskiert, dass das ganze Bankensystem zusammenbricht.

 

Koch: Wie würde sich dieser Prozess abspielen, welche Folgen hätte er?

 

Bofinger: Die privaten Sparer und Anleger verlören das Vertrauen. Sie würden sagen: „Nur Bares ist Wahres“, zu ihrer Hausbank gehen und die Einlagen zurückfordern. Wenn das Millionen Menschen tun, geht den Banken das Geld aus. Die Folge wäre eine Kettenreaktion. Erst müssten ein paar Institute schließen. Danach kämen auch die gesunden Banken in Bedrängnis, die ersteren Geld geliehen haben. Und am Schluss würden Unternehmen mangels Kredit Millionen Beschäftigte entlassen.

 

Koch: Unter welchen Umständen halten Sie eine Verstaatlichung für gerechtfertigt?

 

Bofinger: Wenn absehbar ist, dass ein Institut keine Zukunft hat. Ist das Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig, sollte der Staat die Bank nicht mit zusätzlichem Eigenkapital ausstatten, sondern sie übernehmen. Das Ziel muss dann sein, die Sache mit Kontrolle, Anstand und Würde zu Ende zu bringen. Aber so etwas steht leider nicht im Handbuch der Wirtschaftswissenschaften. Das kann man nur ausprobieren.

 

Koch: Die Bundesregierung unterstützt die Dresdner Bank, die Commerzbank und die Hypo Real Estate in München mit Dutzenden Milliarden Euro. Sind das Kandidaten, die man eher abwickeln sollte?

 

Bofinger: Zu einzelnen Instituten kann ich mich nicht äußern. Schweden hat mit der Strategie der Übernahme und Abwicklung zu Beginn der 1990er Jahre grundsätzlich Erfolg gehabt.

 

Koch: Obwohl die Bundesregierung große Summen zur Verfügung stellt, ist sie den Banken gegenüber sehr zurückhaltend. Übt sie zu wenig Einfluss auf die Institute aus?

 

Bofinger: Nein, es ist vernünftig, dass der Staat sich aus der praktischen Unternehmenspolitik heraushält.

 

Koch: Auch, wenn diese der erklärten politischen Absicht der Regierung widerspricht? Die Banken bekommen Geld vom Staat, betreiben aber weiter Steuerhinterziehung in Steueroasen wie Liechtenstein, der Schweiz oder den Cayman-Inseln.

 

Bofinger: Steueroasen sollte man mit Gesetzen bekämpfen. Wenn aber der Staatssekretär dem Bankvorstand sagt, was er im Einzelnen zu tun hat, ist das problematisch. Denn dann könnten die Manager die Verantwortung für Fehler künftig auf den Staat abwälzen.

 

Koch: Wäre das für die Regierung nicht besser, als die teuren Missgriffe der Vorstände ausbaden zu müssen?

 

Bofinger: Politiker würden sich mit den betriebswirtschaftlichen Entscheidungen selbst überfordern. Der Staat sollte einer Bank ebensowenig vorschreiben, welchen Unternehmen sie Kredite gibt.

 

Koch: Manche Firmen beklagen inzwischen, dass sie für neue Großprojekte keine Finanzierung mehr bekommen. Ist die Versorgung mit Geld nicht die mindeste Dienstleistung, die der Staat den Banken abverlangen muss?

 

Bofinger. Erstens zeigen die Statistiken heute noch keine Kreditklemme. Und wenn sie einträte, sollte die Regierung den Banken mit Eigenkapital unter die Arme greifen. Aber nicht, indem er ihnen einzelne Geschäfte im Detail vorschreibt.

 

Koch: Warum nicht?

 

Bofinger: Unser Ziel sollte es sein, die Banken wieder profitabel machen. An gesunde Firmen geben die Institute sowieso Kredite – davon leben sie ja. Wenn ein Betrieb hingegen kein Geld von seiner Bank bekommt, deutet das daraufhin, dass er nicht kreditwürdig ist. In solchen Fällen ist eine politische Beeinflussung gefährlich. Damit errichtet man nur ein Siechenheim kranker Unternehmen, die aus politischen Gründen am Leben erhalten werden.

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