Der Stoff, auf den viele hoffen

Cannabis gilt als illegale Droge. Dabei entwickelt sich seit vier Jahren ein legales Geschäft – mit Arzneimitteln

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Von Björn Hartmann

20. Okt. 2021 –

Mit den Gesprächen von SPD, Grünen und FDP über eine neue Bundesregierung ist die Debatte über Cannabis wieder aufgetaucht. Sollte das Rauschmittel zum Privatgebrauch entkriminalisiert, Polizei und Gerichte so entlastet werden? Vorbilder sind einige US-Bundesstaaten, Kanada oder etwa Portugal, die Anbau oder Besitz legalisiert haben. Dabei geht es auch darum, wer an dem Stoff verdient.

Der Cannabismarkt in Deutschland ist zweigeteilt: Da ist zum einen der illegale Markt, auf dem Cannabis im großen Stil illegal angebaut, gehandelt und verkauft wird – für Freizeitzwecke, wie es oft heißt. Und dann existiert der offizielle, seit 2017 durch Gesetz geregelte Markt. Unter ihn fallen Anbau, Verarbeitung, Therapie, alles, was der Arzt verschreiben kann. Und dieser Markt ist deutlich lukrativer und wachstumsstärker.

Von Medizinalcannabis, die Blüten der Pflanzen und daraus gewonnenes Öl, versprechen sich Pharmaunternehmen ein gutes Geschäft. Eingesetzt werden Cannabis-Wirkstoffe vor allem bei Schmerzpatienten. In Teilen erstatten die Krankenkassen inzwischen auch die Behandlungskosten. Die Produkte unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz, der Anbau der Pflanzen und die Herstellung etwa von Tropfen ist sehr stark reglementiert, um eine gleichmäßige Qualität zu sichern. Manch Pharmahersteller baut inzwischen selbst Cannabis an, um die Qualität sicherzustellen und die Kontrolle über die gesamte Produktionskette zu haben.

Meist werden die Medikamente nach Anweisung eines Arztes in Apotheken aus Tropfen mit Wirkstoff angemischt. Bisher gibt es weltweit nur ein zugelassenes Fertigarzneimittel, das bei Epilepsie eingesetzt wird. Entwickelt hat es eine britisches Firma. Ein deutsches Unternehmen arbeitet gerade an einem Medikament für Schmerzpatienten, denen Arzneimittel auf Morphiumbasis nicht mehr helfen.

Angebaut wird Medizinalcannabis, das in Deutschland verwendet wird, vor allem im Ausland. Eine staatliche Importerlaubnis haben 87 Unternehmen, die für 2021 mehr als 191 Tonnen des Stoffs einführen wollen – was zeigt, wie hoch die Firmen die Marktchancen einschätzen. Tatsächlich wurden im ersten Halbjahr 2021 nach Zahlen der deutschen Cannabiswirtschaft knapp neun Tonnen importiert, vor allem aus Kanada, den Niederlanden, Dänemark und Portugal – Länder, die gleichbleibende Qualität sicherstellen können. In Deutschland selbst dürfen jährlich 2,6 Tonnen angebaut werden. Die Lizenzen dafür hat die Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an drei Firmen vergeben, die die Pflanzen inzwischen in Hochsicherheitsgewächshäusern anbauen.

Innerhalb der EU gilt Deutschland als wichtigster Markt. Hier werde besonders intensiv geforscht, berichtet die britische Beratungsfirma Prohibition Partners in ihrer aktuellen Überblicksstudie. In der Bundesrepublik würden neue Produkte auch zuerst auf den Markt kommen. Den EU-Gesamtmarkt für Medizinalcannabis schätzt Prohibition Partners für 2021 auf 403,4 Millionen Euro. Bei Wachstumsraten von im Schnitt 67,4 Prozent sollte die Branche den Experten zufolge 2025 bereits 3,2 Milliarden Euro umsetzen. Tendenz steigend.

Auf dem illegalen Markt sieht es etwas anders aus. Cannabis-Produkte sind die mit Abstand am meisten gehandelten Rauschmittel in Deutschland, wie das Bundeskriminalamt ermittelt hat. Es bezieht sich auf die knapp 32.000 Fälle von illegalem Handel, die vor allem bei Kontrollen bekannt geworden sind. Die Dunkelziffer ist allerdings groß. Deshalb lässt sich nicht genau sagen, wie groß der – illegale – Markt in Deutschland ist. Der Deutsche Hanfverband schätzt die konsumierte Menge auf 200 bis 400 Tonnen, was einem Marktwert von ungefähr 1,2 bis 2,5 Milliarden Euro entspricht. Das Geld streicht überwiegend die Organisierte Kriminalität ein, wie die Ermittler die Täter nennen. Deutlich lukrativer für Kriminelle sind die Märkte für Kokain, Heroin und synthetische Drogen – die Preise sind um ein Vielfaches höher als die bei Cannabis.

Haschisch, das Harz der Cannabispflanzen, stammt dem BKA zufolge vor allem aus Marokko. Meist wird es auf dem Seeweg in die Niederlande verschifft und dann nach Deutschland transportiert. Sonst kommt der Stoff über Spanien und Frankreich in die Bundesrepublik.

Marihuana, die Blüten der Cannabis-Pflanze, das in Deutschland verkauft wird, wird dem BKA zufolge auch meist in Westeuropa angebaut. Größere, auch professionell betriebene Plantagen in Fabrikhallen oder ausgedehnten Kellern produzieren in Belgien, den Niederlanden und Spanien. Auch in Deutschland wird angebaut. So entdeckten Ermittler im vergangenen Jahr in einer ehemaligen Gaststätte im niedersächsischen Holzminden eine professionell betriebene Plantage. Freilandpflanzen kommen aus Albanien und Spanien.

Sollte Cannabis in kleinen Mengen entkriminalisiert oder gar legalisiert werden, wie die Befürworter hoffen, hätten die Ermittler mehr Zeit und vor allem mehr Personal, um sich um die großen Drogengeschäfte und Banden zu kümmern, etwa bei harten Drogen wie Kokain und Heroin oder Designerdrogen aus dem Chemiebaukasten, die schnell abhängig machen und oft gesundheitsschädlich und auch tödlich sind. Als Vorbild gilt zum Beispiel Portugal. In der Niederlanden hat die Entkriminalisierung allerdings dazu geführt, dass sich die organisierte Kriminalität ausgebreitet hat.

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