Der Tesla-Faktor

Warum der E-Autopionier bei Berlin im Rekordtempo baut

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Von Björn Hartmann

17. Nov. 2021 –

Lärmgeplagte Orte warten jahrelang auf Umgehungsstraßen, neue Bahnschnellstrecken dauern schon mal zwei Jahrzehnte. Und in Brandenburg baut US-Milliardär Elon Musk ein Autowerk in Rekordtempo: Von der Entscheidung für den Standort im November 2019 bis zur fertigen Fabrik in knapp zwei Jahren. Erste Autos sollen noch 2021 vom Band rollen. Wie ist das möglich? Und können deutsche Firmen von Musk lernen? Lassen sich dringend benötigte Bahntrassen, Windparks oder Umgehungsstraßen deutlich schneller bauen?

Zunächst einmal hatte Musk ein paar Vorteile, die so nicht immer zusammenkommen: Es gab bereits einen fertigen Bebauungsplan für ein Autowerk, erstellt vor 20 Jahren, als die Gemeinde den Autohersteller BMW anlocken wollte. Die Fläche von 300 Hektar gehörte einem Eigentümer: dem Land Brandenburg. Auf dem Gelände standen Fichten in Monokultur für die Industrie. Es liegt direkt an einer Autobahnabfahrt und verfügt über einen Gleisanschluss. Und Tesla-Chef Musk geht mit der amerikanischen Mentalität des Einfach-Machens an die Sache heran – was auch das Risiko des Scheiterns beinhaltet.

Verwunderlich: Das Werk ist praktisch fertig, die Roboter, Lackierstraßen, Pressen stehen, doch es gibt noch keine abschließende Genehmigung des Landesumweltministeriums, der in Brandenburg zuständigen Behörde. Der US-Konzern hat mit derzeit 19 vorläufigen Teilgenehmigungen gebaut.

Für Klaus Joachim Grigoleit, Professor für Raumplanungs- und Umweltrecht an der Technischen Universität Dortmund, ist die Tesla-Baustelle nichts Besonderes. „Viele Großprojekte in Deutschland werden mit Teilgenehmigungen gebaut.“ Sonst dauere es noch deutlich länger, sie umzusetzen. Möglich macht das ein besonderes Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, das für große Projekte gilt: Autofabriken, Kraftwerke, Windparks. Typischerweise greifen sie stark in die Umwelt ein.

Gerade bei Tesla wirkt es, als wolle die Landesregierung auf jeden Fall das Werk haben und genehmige deshalb alle Teilschritte – völlig losgelöst von der gerade laufenden Bürgeranhörung und den 813 Einwänden gegen das Projekt. „Grundsätzlich setzt eine Teilgenehmigung voraus, dass die Gesamtprognose für das Projekt positiv ist“, sagt Grigoleit. Sei sie positiv, kann das Unternehmen sogar Anspruch auf Genehmigung haben. „Wenn allerdings im Zuge der Bürgerbeteiligung etwas auftaucht, was vorher nicht bekannt war, und die Gesamtprognose dadurch negativ wird, kann die Behörde alle Genehmigungen aufheben.“ Für Tesla bedeutete das: Abriss der Fabrik, geschätzte Kosten 100 Millionen Euro.

Dieses Risiko geht Firmenchef Musk ein. Für ihn ist wichtig, möglichst schnell Fahrzeuge in Europa zu bauen, weil die Nachfrage rasant steigt und die Konkurrenz zum Elektroauto-Pionier aufholt. Auch deshalb ist Musk mit zwei Jahren Bauzeit sehr schnell. Bisher werden die Fahrzeugteile aus den USA nach Rotterdam verschifft und dort montiert. In Grünheide soll das Elektro-SUV Model Y gebaut werden. Bei einem Windpark dauert es üblicherweise vom Plan bis zum Netzanschluss sechs Jahre.

Werden privatwirtschaftliche Fabriken über das Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt, ist bei sogenannten Gemeinwohlprojekten wie Bahnstrecken, Straßen oder Stromtrassen ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren nötig. Will zum Beispiel die Deutsche Bahn den Brenner-Basistunnel anbinden, die belastete Strecke im Rheintal ausbauen, um den Gotthard-Basistunnel besser anzubinden, die vielbefahrene Strecke zwischen Hannover, Bielefeld und Dortmund ausbauen oder ein Stromnetzbetreiber neue Überlandleitungen bauen, muss das Unternehmen ein Konzept mit Alternativen einreichen, das unter anderem Umweltgutachten enthält. Das Konzept wird öffentlich ausgelegt, eine Behörde sammelt Einwände, wägt dann ab, zum Beispiel, ob die Ruhe der Bevölkerung wichtiger ist als die Bahnstrecke, und empfiehlt der Planfeststellungsbehörde, in einer bestimmten Weise zu entscheiden.

Ein solches Verfahren dauert mehrere Jahre, weil jeder Einwand geprüft wird. Und weil auf Basis der Entscheidung auch Grundstücke enteignet werden können. „Rechtlich muss da sehr genau gearbeitet werden, damit nichts anfechtbar ist“, sagt Grigoleit. Außerdem wolle der Vorhabenträger möglichst, dass jeder zustimme, was das Verfahren weiter verzögere.

Lässt sich mehr Tempo machen? Auf Rechtssicherheit könne man nicht verzichten, die Bürgerbeteiligung sei weitgehend durch EU-Recht vorgegeben, man könne aber die Prüftiefe vereinfachen, sagt Grigoleit. Pauschalere Regeln statt intensiver Einzeluntersuchung zum Beispiel. Für Stromtrassen wurde gerade ein Beschleunigungsgesetz verabschiedet. Letztlich hängt es aber an Personen, wie Grigoreit sagt: „Wenn kein Drive da ist, ein Projekt durchzuziehen, dauert es einfach sehr sehr lange.“

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