Deutschland wird langsam korrupter

Schmiergelder für die Verwaltung werden als immer normaler empfunden. International hält sich Deutschland mit dem zehnten Rang noch gut. Am schlimmsten geht es in Somalia zu.

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Von Wolfgang Mulke

27. Jan. 2017 –

Im internationalen Vergleich gehört Deutschland noch zu den weitgehend korruptionsfreien Ländern. Doch das könnte sich nach Einschätzung der Antikorruptions-Organisation Transparency International (TI) ändern. „So nehmen Führungskräfte aus deutschen Unternehmen es als zunehmend normal wahr, dass irreguläre Zahlungen an Verwaltungen gemacht werden“, sagt die Chefin von TI in Deutschland, Edda Müller. Die Geldgeber erhofften sich dadurch eine schnellere Bearbeitung ihrer Anliegen.

Das Ansehen der Unternehmen sinkt dadurch. Die Wirtschaft kommt in der Umfrage von TI schlechter weg als die Politik. „Das ist eine neue Entwicklung“, erläutert Müller. In einer im vergangenen November veröffentlichten Studie der Organisation vermutete jeder dritte Befragte, dass alle oder die meisten Unternehmensleitungen in korrupte Machenschaften verstrickt seien. Zur insgesamt kritischeren Bewertung durch TI tragen wohl auch die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Bestechung in Regensburg bei. Dort gab es den Vorwürfen der Strafverfolger nach ein jahrelanges Zusammenspiel eines Bauunternehmers mit den jeweiligen Bürgermeistern.

Dabei geben sich insbesondere die großen Konzerne mittlerweile betont seriös. Sie haben Abteilungen gegründet, die Standards für eine saubere Geschäftsführung setzen und kontrollieren. Doch das allein reicht Müller zufolge nicht aus. Auch die Deutsche Bank oder VW hätten so genannte Compliance-Manager. Trotzdem hätten sich beide Unternehmen an anderer Stelle unsauber verhalten. „Es kommt immer darauf an, was an der Spitze los ist“, sagt die TI-Chefin.

Positiv bewertet Müller, dass in Deutschland auch Manager ermittelt und bestraft werden, die im Ausland Bestechungsgelder bezahlen. Allerdings verlangt TI, dass das Bundesjustizministerium auch die Namen der betreffenden Unternehmen nennen sollte. Der Abschreckungseffekt wäre dadurch besser.

Trotz der kritischen Entwicklung steht Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor auf dem zehnten Rang von 176 Ländern. An der Spitze hat sich wenig geändert. Dänemark führt die Rangliste der am wenigsten korrupten Länder an, gefolgt von Neuseeland, Finnland, Schweden, der Schweiz und Norwegen. Laut Müller hängt das Ausmaß der Bestechlichkeit direkt mit dem Funktionieren staatlicher Behörden und einer unabhängigen Justiz zusammen. So hätten der Senegal und Georgien die Alltagskorruption nahezu vollständig niedergerungen, weil die örtlichen Institutionen nach Reformen neues Vertrauen gewinnen konnten.

Am Ende der Rangliste finden sich Staaten, die von Bürgerkriegen oder instabilen Lagen gekennzeichnet sind. Somalia bildet das Schlusslicht. Syrien, Nordkorea, der Südsudan oder Afghanistan und der Jemen zählen ebenfalls zu den korruptesten Staaten. An diesem Donnerstag beraten die G20-Staaten das Thema. Eine Forderung gibt Müller den Industrieländern mit auf den Weg. Sie fordert einen besseren Schutz für Hinweisgeber. Denn Bestechung fliegt meist erst durch Insidertipps auf. In Deutschland haben Arbeitnehmer aber ein großes Problem, wenn sie einem kriminellen Treiben ihrer Chefs nicht mehr zuschauen wollen. Sie sind arbeitsrechtlich zur Loyalität gegenüber ihrer Firma verpflichtet, auch wenn diese gegen die Regeln verstößt.

Müller fordert zudem von den G20, stärker gegen die Korruption im Sport, vor allem beim Fußball vorzugehen. Dies dürfe nicht den Sportverbänden überlassen werden, sagt Müller. Auch müsse die Förderung des Sports an Bedingungen knüpfen. Wie stark sich Korruption auf das internationale Ansehen eines Staates auswirken kann, zeigt das Beispiel Katar. In der Rangliste der Länder ist Ausrichterland der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 so stark abgerutscht wie kein anderer Staat, nachdem es rund um den Wettbewerb viele Berichte über unsaubere Geschäfte gab.

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