Die Angst der Manager vor Streit mit Russland
Ost-West-Wirtschaftskongress in Berlin in Zeichen der Ukraine-Krise
10. Apr. 2014 –
Auf den weiß gedeckten Stehtischen locken kleine Nationalfahnen zum Gespräch mit den jeweiligen Regierungsvertretern aus Kirgisistan, Ukraine, Kosovo, Russland und vielen anderen Staaten. Russlands Vizepremierminister Igor Shuvalov ist am italienischen Tisch gerade im angeregten Gespräch E.ON-Chef Johannes Teyssen. Es wird viel gelacht. Die hier versammelten Manager und Politiker wollen die Botschaft senden, dass Ost und West zusammengehören – trotz der Ukraine-Krise.
Das East Forum tagte am Mittwoch und Donnerstag am Brandenburger Tor in Berlin. Auf Einladung des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Bank Unicredit stand zum zweiten Mal die Zusammenarbeit im Wirtschaftsraum „Lissabon und Wladiwostok“ zur Debatte.
Wenn die gegenwärtigen Differenzen um die Ukraine nicht im Gespräch gelöst würden, „leiden die wirtschaftlichen Beziehungen und die Menschen“, sagte Guiseppe Vita, Verwaltungsratschef der Bank Unicredit, zu der auch die Münchner Hypovereinsbank gehört. Er verwies darauf, dass beispielsweise rund 6.000 deutsche Unternehmen in Russland registriert seien und 400 aus Italien. Für Letztere spiele unter anderem der russische Markt für Luxusgüter eine große Rolle. Mit Blick auf die akutellen Turbulenzen sagte E.ON-Chef Teyssen: „Ohne die Beteiligung Russlands gibt es keine langfristige Lösung“. E.ON ist im Energiegeschäft mit Russland stark engagiert.
Für ihre Einschätzungen bekamen Vita und Teyssen Lob von Vizepremier Shuvalov: „Sie vertreten mutige Positionen, weil Sie gegen den Strom schwimmen.“ Shuvalov pries zunächst die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gewachsene ökonomische und politische Kooperation zwischen Russland und Europa. „Besonders Deutschland hat uns sehr geholfen. Ohne diese Kooperation hätte Russland nicht so große Fortschritte gemacht.“
Die Grundlage der Kooperation sei eine zunehmende „gegenseitige Abhängigkeit“, so Shuvalov, „das ist die Basis von Stabilität“. Die Staaten Europas und Eurasiens seien „nur sicher, wenn wir einander ökonomisch nicht wehtun können“.
Genau diese Grundlagen stellten die EU und die Bundesregierung gegenwärtig aber in Frage, indem sie Russland mit wirtschaftlichen Sanktionen bedrohten, erklärte Shuvalov. Als Antwort auf die Annektierung der ukrainischen Krim durch Russland hat die EU beispielsweise Konten russischer Politiker eingefroren. Auch weitere Strafen stehen zu Debatte. In Deutschland wird viel darüber diskutiert, ob man nicht die Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren sollte. Gegenwärtig liefert Russland über ein Drittel des von Deutschland importierten Erdgases.
Demgegenüber hält Russland Shuvalov zufolge weiterhin an den im Rahmen der G8-Staatengruppe vereinbarten Prinzipien der „Energiesicherheit“ fest. „Wir liefern weiter“, sagte der Vizepremier – auch wenn die EU die Sanktionen gegen Russland verschärfe. Aber eine Gegendrohung sendete er ebenfalls: Auch Russland könne sich andere Absatzmärkte für sein Erdöl und Erdgas suchen.
Unterhalb der politischen Metaebene ging es beim East Forum aber vornehmlich um konkrete Geschäftsmöglichkeiten. So rühmte Florin Nicolae Jianu, der rumänische Minister für Kleine und Mittlere Unternehmen, die neuerdings hervorragenden Bedingungen für Firmengründer in seinem Land. Jetzt gelte das Prinzip „nur einmal Papierkram bei der Behörde“, und alles sei erledigt. Vielleicht macht sich ja der eine oder andere Start-Up-Unternehmer aus Deutschland auf den Weg nach Bukarest.