Die Börsensteuer ist noch nicht tot

Schäuble aber skeptisch. Er wolle das Vorhaben beerdigen, kritisiert grüne Finanzexpertin Paus

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Von Hannes Koch

21. Feb. 2017 –

In Deutschland könnte die neue Steuer zehn oder 20 Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen pro Jahr bringen – für die Sanierung von Schulen, bessere Datenleitungen oder Entwicklungshilfe. International wären es vielleicht 40 oder 50 Milliarden. Doch auch nach fast zwei Jahrzehnten Debatte und etlichen politischen Anläufen können sich die europäischen Staaten nicht auf ein gemeinsames Modell für die Finanztransaktionssteuer einigen.

Die Zeit für die Einführung einer solchen Steuer sei nicht einfach, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Er verwies auf den geplanten EU-Austritt Großbritanniens und die neue Konkurrenz zum Finanzplatz London. Höhere Kosten für die Börsen auf dem Kontinent betrachtet die Finanzlobby deshalb als Problem. „Selbst beim Schweizer Käse darf's nicht nur Löcher haben“, sagte Schäuble. „Es muss auch noch ein bisserl was drum rum sein, sonst ist's nur noch ein Loch und kein Schweizer Käse.“

Das Ergebnis der jüngsten Verhandlung: Weitere Berechnungen, neuer Termin im März. Die grüne Finanzexpertin Lisa Paus sagte dazu: „Schäuble gibt sich keine Mühe, einen Kompromiss und eine Entscheidung zu erreichen. Ich befürchte, dass er auf Zeit spielt, um das Thema zu beerdigen.“

Ein Sprecher des Bundesfinanzministerium wies diese Darstellung zurück: „Wir setzen uns für eine einvernehmliche Lösung ein.“ Schließlich habe Schäuble maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Finanztransaktionssteuer unter den zehn Staaten überhaupt vorangetrieben werde. Die Grünen haben dennoch Zweifel: In der CDU würden viele die Börsensteuer ablehnen, weil sie auf Initiative der SPD im Koalitionsvertrag stehe.

Grundsätzlich haben sich Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien und Spanien geeinigt, die Umsätze mit Aktien, Derivaten und Optionspapieren einer prozentual niedrigen Besteuerung zu unterwerfen. Über die Details wird gestritten. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht, dass die Börsensteuer keine Nachteile für die Finanzierung der Realwirtschaft und Altersvorsorge auslösen dürfe. In diesem Sinne hat mittlerweile auch der belgische Finanzminister Bauchschmerzen: Er fürchtet zu hohe Kosten für einheimische Pensionsfonds. Aus Slowenien kommt ebenfalls Kritik.

In einer größeren Öffentlichkeit ist das Projekt seit Ende der 1990er Jahre, als in Frankreich die globalisierungskritische Organisation Attac gegründet wurde. Diese trägt die Forderung nach der Besteuerung von Finanzgeschäften im Namen. Die Steuer sollte einerseits das Spekulationstempo an den Finanzmärkten verringern, andererseits Staatseinnahmen generieren.

Nach der Finanzkrise ab 2008 avancierte die Steuer zum Thema der Europäischen Union. Allerdings sprach sich die britische Regierung dagegen aus. Deshalb kam es schließlich zu einer kleinen internationalen Variante – einer Steuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit, an der mindestens neun EU-Staaten teilnehmen müssen. Das langwierige Procedere begründet das Bundesfinanzministerium damit, diesen Club unbedingt zusammmenhalten zu wollen. Sonst sei das Vorhaben gestorben.

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