Die etwas andere Art zu reisen

Freies Thema, 700 Euro Stipendium und dann los: Die zis-Stiftung finanziert Jugendlichen ein einmaliges Erlebnis

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Von Björn Hartmann

23. Dez. 2021 –

Einfach mal vier Wochen wegfahren, direkt nach der Schule. Machen, was man will. Streetart in Portugal erkunden, das Glück der Skandinavier finden oder Bunker an der französischen Atlantikküste erforschen. Und das Ganze auch noch bezahlt. Gibt es nicht? Gibt es doch. Möglich macht das die ZIS-Stiftung für Studienreisen mit einem besonderen Reiseprogramm für Jugendliche.

Die Idee brachte ein Lehrer aus Frankreich mit, der in den fünfziger Jahren an der Schule Schloss Salem nahe des Bodensees unterrichtete. Der Schulleiter entschied, dass das auch prima für Deutschland sei. Geld gaben Förderer, die das Projekt spannend fanden. 1956 ging es los, damals noch unter Zusammenarbeit Internationale Studienreisenstipendien, kurz ZIS.

Inzwischen ist ZIS eine Stiftung mit eigenem Vermögen und einem Freundeskreis, der sie mit Mitgliedsbeiträgen unterstützt. Zusätzliches Geld kommt von Privatleuten und Förderstiftungen. Mehr als 2000 Jugendliche mit einem ZIS-Stipendium unterwegs gewesen, darunter der Gründer von Fairtrade, der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau und der Künstler Anselm Kiefer, der sich die Haute Couture in Paris angesehen hat. Damals war noch nicht absehbar, dass er einmal einer der berühmtesten und teuersten Künstler der Gegenwart werden sollte. ZIS aber hat ihn angeregt, Tagebuch zu schreiben.

Die Reisebedingungen der Stiftung sind einfach: Bewerben können sich Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren mit einer Idee für ihre Reise. Sie fahren allein ins Ausland und sollten mindestens vier Wochen unterwegs sein. Fliegen ist ausgeschlossen, denn: „Der Weg ist das Ziel“, sagt Regina Schütt, Physikerin und eine der rund 30 ehrenamtlichen ZIS-Mentoren. „Wer 36 Stunden im Transitbus sitzt, lernt vielleicht schon Leute kennen, die er dann in Istanbul interviewen möchte.“ Es gibt 700 Euro für die Reise, das Geld soll alle Ausgaben decken.

„Diese Knappheit ist der Clou“, sagt Schütt. Leben im Hotel sei nicht möglich, man müsse ins Land eintauchen und sich selbst organisieren. Zudem ergebe sich über Thema und Kontaktpersonen viel, manchmal auch kostenlose Unterkunft, meist der nächste Kontakt. Wer reist, muss ein Tagebuch führen, das nach der Reise abgegeben wird. Ebenso wie eine Abrechnung der Tour und – wichtig – ein Projektbericht. Wobei der weit gefasst ist: neben einem Text sind auch Film, Ausstellung, Fotodokumentationen oder andere Formate möglich.

Und die Themen? „Man kann alles machen, was einen interessiert“, sagt Schütt. Und so machte sich Willy 2019 auf nach Spanien, um die Kommerzialisierung von Gott zu untersuchen. 2020 untersuchte Lara 1414 Kilomater lang, was Dänemark zu einem fahrradfreundlichen Land macht. Es ging bereits um Walfang auf Island, den Weg vom Schaf zum Pullover auf den Färöer-Inseln – einschließlich jeweils eineinhalb Tagen An- und Abreise mit dem Schiff –, den Wert der Sauna für die finnische Gesellschaft. Jemand bewegte sich auf den Spuren von Astrid Lindgren durch Schweden, betrachtet wurde auch die Rolle der Frau im postsozialistischen Ungarn.

Ideen lieferten englische Schwimmbäder, Mönche Andalusiens, Vögel am Cap Ferret, Glazialgeologie und Kirchenmusik. Nicht immer wird es so abenteuerlich wie 1968. Damals landete ein ZIS-Reisender mitten im Prager Frühling, spürte den Aufbruch und fand sich bei konspirativen Treffen der tschechischen Jugend wieder. Im Tagebuch berichtet er von russischen Panzern in den Straßen.

Die Bewerbung für ein Stipendium läuft online. Nötig sind ein Thema, ein grob umrissenes Reisekonzept nebst einer Finanzplan-Skizze sowie die Empfehlung eines Lehrers oder einer Gruppenleiterin. Ganz wichtig: Engagement und Interesse müssen klar werden. Und die Idee muss gut sein. Unwichtig sind schulische Leistungen. Aus den Bewerbungen wählen die Mentoren, ehemalige ZIS-Reisende, die Kandidaten aus und unterstützen sie dann, Reisekonzept und Finanzplanung auszuarbeiten. Passt alles, gibt es die endgültige Stipendienzusagen

Nach der Reise wird das Projekt von mehreren Mentoren gelesen und es gibt eine umfangreiche persönliches Rückmeldung, nicht nur zum Bericht, sondern auch zu persönlichen Stärken und Schwächen sowie dazu, worauf die Person künftig achten sollte.

Regina Schütt war selbst mit ZIS unterwegs und hat sich mit Alabaster und Bildhauerei in der Toskana beschäftigt. Und sie weiß um die Tücken einer Reise. Denn es läuft nie alles glatt. Entweder die Zusage zur kostenlosen Unterkunft platzt oder die Mitfahrgelegenheit kommt nicht. Aber: „Irgendwie passiert immer etwas, wenn man nicht aufgibt“, sagt Schütt. „Man muss Menschen ansprechen. Man ist allein, aber nicht einsam. Und es bringt immer etwas – fürs Thema oder für die Person, die reist.“ Vor allem Selbstbewusstsein. Jedenfalls strahlen das diejenigen aus, die losgereist sind. Mancher findet auf der Reise auch seine Berufung.

Bewerbungsschluss für die Reisen 2022 ist der 15. Februar. Weitere Informationen: www.zis-reisen.de

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