Die Globalisierungskritiker haben Unrecht
Die weltweite Armut nimmt ab, belegt ein neuer Bericht der Weltbank
28. Aug. 2008 –
Keine soziale Bewegung hat die reichen Industriegesellschaften im vergangenen Jahrzehnt so geprägt wie die der Globalisierungskritiker. Die aus Frankreich stammende Organisation Attac beeinflusst die öffentliche Meinung in vielen Ländern stark. In Deutschland haben es die Globalisierungskritiker geschafft, die Meinungsführerschaft zu erobern. Unser Bild der Globalisierung ist geprägt von ihrem Blick: Der Weltmarkt gilt vielen Menschen als etwas Gefährliches, vor dem man sich in Acht nehmen muss.
Doch nun stellt sich heraus, dass die Globalisierung besser ist als ihr Ruf. Eine zentrale These der Protestbewegung scheint eher auf Vorurteilen, denn auf Fakten zu beruhen. Die Behauptung lautet: Der Neoliberalismus verschärft die soziale Lage auf der Welt. Ein neuer Bericht der Weltbank belegt, dass die Globalisierungskritiker mit dieser Aussage falsch liegen.
Natürlich kann man über Statistiken streiten. Davon abgesehen beschreiben die Zahlen der Weltbank die soziale Lage auf dem Globus so: 1981 waren 1,9 Milliarden Menschen absolut arm, sie mussten von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben. Bis 2005 sank diese Zahl auf 1,4 Milliarden Menschen. Gleichzeitig wuchs die Weltbevölkerung von rund 4,2 auf etwa 6,5 Milliarden. Während 1981 somit rund 45 Prozent aller Menschen unter tiefer Armut litten, waren es 2005 noch etwa 22 Prozent. Die gute Nachricht lautet schlicht: Sowohl in absoluten Zahlen, als auch relativ ist die Armut im Zeitalter der Globalisierung zurückgegangen, sie wurde seit Beginn der 1980er Jahre immerhin halbiert.
Den größten Teil dieses Fortschrittes trägt China bei. Aber auch in anderen problematischen Regionen hat die Armut stark abgenommen, zumindest relativ. Die einzige Weltgegend, in der die Forscher keine Besserung verzeichnen, ist Afrika südlich der Sahara. Dort sind nach wie vor 50 Prozent der Bevölkerung bettelarm, die Zahl der Notleidenden steigt stark an.
Auch in der großen Zeit des Neoliberalismus, den die Globalisierungskritiker bekämpften, ist die Welt nicht schlechter, sondern besser geworden. Trotzdem haben die Bürgerrechts- und Entwicklungsgruppen in manchen Punkten aber auch Recht. Die von ihnen beklagte schärfere Spaltung in Arm und Reich ist tatsächlich eingetreten. Während Hunderte Millionen Menschen noch immer nichts zu beißen und kein sauberes Wasser haben, sind die Gewinne der großen Konzerne in abenteuerliche Höhen gestiegen. Würden die reichsten Unternehmen ihre Profite in die Bekämpfung der Armut investieren, wäre das Problem in wenigen Jahren Geschichte.
Auf dieser offenkundigen Ungerechtigkeit beruht der Erfolg der Globalisierungskritiker, die vor zehn Jahren auf eine empfangsbereite Öffentlichkeit trafen. Viele Menschen auch in Deutschland fühlten sich bedroht, weil ihre Arbeitsplätze gefährdet waren und ihr Lohn stagnierte, während es den transnationalen Konzernen meist blendend ging. Doch man neigte in den Industrieländern auch dazu, die eigene prekäre, sich vielfach verschlechternde Situation mit der Lage in anderen Teilen der Welt zu verwechseln.
Die Lebenssituation von Einwohnern eines Industrielandes und eines Entwicklungslandes unterscheiden sich allerdings stark. Ein Teil des Wohlstandes, der früher exklusiv in den alten Industrieländern erwirtschaftet wurde, wird neuerdings in China, Indien, Brasilien oder auch Laos und Vietnam erarbeitet. Diese Verlagerung der Produktion von Wohlstand ist charakteristisch für den Prozess der Globalisierung. Im gleichen Augenblick, in dem Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden, kommen Jobs in China hinzu. Verlust im Norden und Gewinn im Süden gehen oft Hand in Hand.
Die Gleichzeitigkeit von Fortschritt und Rückschritt, Aufbau und Abbau muss man zur Kenntnis nehmen. Sonst läuft man Gefahr, das bunte Bild der Welt auf ein Schwarz-Weiß-Foto zu reduzieren. Die unzulässige Reduktion mag für die politische Mobilisierung bisweilen nützlich, wenn nicht gar notwendig sein. Doch auf die Dauer diskurs- und handlungsfähig bleibt nur der, der seiner eigenen Ideologie nicht erliegt.
Seit dem G8-Gipfel im Oststeebad Heiligendamm 2007 kommen Attac & Co. in der öffentlichen Debatte kaum noch vor. Möglicherweise hat ihre neue Schwäche auch damit zu tun, dass manche der alten Thesen sich angesichts der komplexen Realität doch als etwas schlicht erwiesen.