Die Grenzen der Mildtätigkeit

Mitglieder-Werber für die Johanniter-Unfall-Hilfe bekommen teilweise armselige Löhne. Das Bezahlmodell widerspricht einer Regel des Spenden-Siegels. BUND macht Zugeständnis

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Von Hannes Koch

29. Mai. 2014 –

„Aus Liebe zum Leben“ ist das Motto der Johanniter-Unfall-Hilfe. Der karitative Anspruch hat jedoch seine Grenzen. Junge Leute, die für die Johanniter Mitglieder werben, bekommen mitunter armselige Löhne. So beträgt die Mindestbezahlung bei einer für die Johanniter tätigen Firma etwa fünf Euro pro Arbeitsstunde.

 

Die Johanniter-Unfall-Hilfe bezeichnet sich selbst als „eine der größten Hilfsorganisationen Europas“ mit über 1,4 Millionen Fördermitgliedern. Um diese Mitglieder anzuwerben, werden auch Agenturen wie die Firma Wesser beauftragt. Diese beschäftigen oft Schüler über 18 Jahre und Studenten, die in Dörfern und Städten von Haustür zu Haustür gehen und klingeln. Zu den Arbeitsbedingungen der jungen Leute bei Wesser teilt Johanniter-Sprecherin Therese Raatz mit: „Diese Mitarbeiter bekommen ein Grundgehalt von 1.000 Euro in fünf Wochen.“

 

Das entspricht 200 Euro pro Woche. Bei 40 Arbeitsstunden ergeben sich daraus fünf Euro pro Stunde. Allerdings müssen die Beschäftigten bestimmte Kosten wie Verpflegung und Benzin für ihre Einsätze an abgelegenen Orten selbst bezahlen. Unter dem Strich bleiben dann mitunter 150 Euro pro Woche oder weniger übrig, wie ein ehemaliger Wesser-Mitarbeiter erklärte. Das bedeutet einen Stundenverdienst von weniger als vier Euro. Das Unternehmen sagt: „Essenskosten sind im Team unterschiedlich und werden auch von den Mitarbeitern im Team selbst gesteuert. So ist es für uns unmöglich, eine pauschale Aussage darüber zu treffen.“

 

Die Firma und die Johanniter betonen, dass die Beschäftigten nur dann so wenig verdienen, wenn sie kaum neue Mitglieder werben. Haben sie mehr Erfolg, steigt ihre Bezahlung aufgrund des leistungsbezogenen Prämienmodells. Johanniter-Sprecherin Raatz: „Der durchschnittliche Verdienst dieser Mitarbeiter liegt bei 2.200 Euro pro Monat. Zusätzlich stellt die Firma Wesser die Unterkunft während der Einsatzzeit, übernimmt die Kosten für ein Mietauto und zahlt die Ab- und Anreise zum Einsatzort.“

 

Aus dem vorwiegend erfolgsbasierten Bezahlmodell ergibt sich ein weiteres Problem für die Johanniter. Als Mitglied beim Spenden-Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) sind die Johanniter verpflichtet, bestimmte Regeln einzuhalten. So müssen Mitgliederwerber mindestens die Hälfte ihres Verdienstes als Fixgehalt bekommen. Das soll den Druck auf die Beschäftigten und die angesprochenen Bürger reduzieren. Aus dem Vergleich des monatlichen Mindestgehaltes bei Wesser (800 Euro) und dem Durchschnittsverdienst (2.200) ergibt sich, dass 1.400 Euro leistungsabhängig sind – etwa zwei Drittel der Bezahlung.

 

Das DZI weiß um diesen Widerspruch zu den Siegel-Regeln. „Es trifft zwar zu, dass die Vergütungsmodalitäten der Johanniter-Unfall-Hilfe in wichtigen Teilen noch nicht voll den besonders hohen Anforderungen des Spenden-Siegels an eine Deckelung der erfolgsabhängigen Entlohnung entsprechen“, schreibt DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke. Weil sich die Johanniter jedoch um Verbesserungen bemühten, dürften sie das Spendensiegel aufgrund einer „Ausnahmeregelung“ weiter verwenden.

 

Währenddessen erklärt der Umweltverband BUND, man habe „mit dem Dienstleister Gespräche aufgenommen, um sicherzustellen, dass künftig nur noch Volljährige bei der professionellen Werbung eingesetzt werden“. Diese Zeitung hatte über einen minderjährigen Mitarbeiter der Agentur Holub, Steiner und Partner GmbH berichtet, der für den BUND unterwegs war und nach eigenen Angaben unter dem Strich rund zwei Euro pro Stunde bekam.

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