• Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler.

Die irreführende Zeitansage des Steuerzahlerbundes

Die sogenannte Schuldenuhr in Berlin erweckt den Eindruck, als stiegen die deutschen Staatsschulden permanent. Das Gegenteil ist der Fall. Ökonomen schütteln die Köpfe.

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Von Hannes Koch

17. Mär. 2017 –

Wer durch's Berliner Regierungsviertel spaziert, hat gute Chancen, an der Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes vorbeizukommen. Die Digitalanzeige hängt über dem Eingang der Lobbyorganisation in der Nähe des Hauptbahnhofes. Die großen, roten Digitalziffern wechseln in hektischem Rhythmus, unablässig steigt die Summe der deutschen Staatsschulden.

68 Euro kommen pro Sekunde hinzu. Mit 2.032 Milliarden stehen wir alle zusammen in der Kreide. Stattet man am nächsten Tag einen Besuch ab, sind es schon wieder sechs Millionen Euro mehr. Die Botschaft, die das Zahlengeflimmer aussendet, steht freilich in merkwürdigem Gegensatz zur aktuellen Lage.

Hat doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gerade erst verkündet, auch in diesem und den nächsten Jahren ohne neue Schulden auszukommen. Das Jahr 2016 beendeten Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen mit einem Überschuss von 24 Milliarden Euro - dem Gegenteil von zusätzlichen Krediten.

Installiert hat der Steuerzahlerbund seine Schuldenuhr im Jahr 1995. Die Organisation, die ihre Mitglieder beim Steuersparen berät, will damit vor unsolider Finanzpolitik und der Verschwendung öffentlicher Gelder warnen. Lange Zeit verfing diese Ansage, besonders, als die Staatsverschuldung nach der Finanzkrise explodierte. Nun allerdings ist man in Erklärungsnot.

Dass die Anzeige immer noch steigende Kredite ausweist, erklärt der Experte beim Steuerzahlerbund so: Für das laufende Jahr würden einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, zusätzliche Schulden einplanen. Unter dem Strich nähmen damit die roten Zahlen der Länder zu. Umgerechnet ergibt das einen Zuwachs von 68 Euro pro Sekunde.   

Ob sich diese Planung allerdings erfüllt, weiß niemand. Im vergangenen Jahr war es nicht so. Da ging man lange Zeit von einem Defizit aus, hinterher stand unter dem Strich jedoch ein Plus. Angesichts der guten Wirtschaftslage erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass 2017 ähnlich verläuft. „Wenn Planung und Wirklichkeit so weit auseinanderliegen, vermittelt die Uhr ein falsches Bild“, sagt Kristina van Deuverden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die Überschüsse der Staatsfinanzen von 2016 hat der Steuerzahlerbund seiner Schuldenuhr noch nicht eingespeist. Das passiere erst Ende des Monats, wenn die entsprechenden Zahlen des statistischen Bundesamtes vorlägen, heißt es. Dann werde die Uhr um beispielsweise zehn Milliarden Euro zurückgestellt, von 2.032 auf 2.022 Milliarden Euro.

Wer dann in jenem Augenblick die Uhr auf der Berliner Reinhardstraße beobachtet, wird sehen, dass der Schuldenstand sinkt. Nach diesem glücklichen Moment werden die Zahlen aber wieder munter klettern – und den Eindruck vermitteln, dass die Verschuldung permanent wächst.

Doch genau das tut sie nicht. „Der Schuldenstand in Deutschland geht seit 2012 nicht nur im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, sondern auch in absoluten Größen zurück“, heißt es im Bundesfinanzministerium. „Dass die Schuldenuhr immer noch nicht rückwärts läuft, ist nicht nachvollziebar.“

Die simple Darstellungsweise der Digitalanzeige verschleiert die Realität. Ein Beispiel: 2013 erreichten die deutschen Staatsschulden 77,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Jetzt sind es noch 66 Prozent. Für 2020 rechnet Schäuble mit 60 Prozent. „Für den schnellen Betrachter im Alltag deutet die Schuldenuhr jedoch in die entgegengesetzte Richtung“, stellt Ökonomin van Deuverden fest. Ihr Kollege Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft fügt hinzu: „Die relevante Größe sind die  Staatsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Isoliert betrachtet kann die Schuldenuhr deshalb keinen ausreichenden Eindruck vermitteln. Der aktuelle Schuldenstand in Deutschland ist nicht besorgniserregend.“

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