Die Kosten der Trennung

Entscheidet Schottland gegen Großbritannien? Ökonomisch könnte das kleine Land im Norden die Unabhängigkeit durchaus bewältigen

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Von Hannes Koch

17. Sep. 2014 –

Am Donnerstag stimmen die Schotten über die Unabhängigkeit von Großbritannien ab. Ergebnisse der Auszählung werden für Freitag Vormittag erwartet. Unsere Zeitung analysiert die wirtschaftlichen Folgen einer Trennung.

 

Wie stabil ist die schottische Wirtschaft?

Die Region im Norden der britischen Insel ist landläufig besonders für ein Exportprodukt bekannt: Whisky. Daneben stellt Schottland weitere Lebensmittel unter anderem für die Auslandsmärkte her, beispielsweise Lachs und Fleisch. Wichtig ist ebenso die Industrie, die unter anderem Maschinen und Elektronikprodukte fertigt. Diese Wirtschaftsbereiche funktionieren auch deshalb gut, weil sie für die Erdöl- und Erdgas-Förderung arbeiten. In der Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe vor den Küsten liegt eine wesentliche Ursache der positiven Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. „Die schottische Wirtschaft kann grundsätzlich eine tragfähige Basis des unabhängigen Staates bilden“, sagt Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Eine Voraussetzung ist jedoch, dass das Land Mitglied im europäischen Binnenmarkt bleibt“, damit es weiter von den europäischen Handelsvergünstigungen profitieren könne.

 

Hätte die unabhängige Regierung genug Geld?

Das Kabinett in der Hauptstadt Edinburgh könnte mit den hohen Einnahmen aus der Ölförderung rechnen, von denen ein größerer Teil im Norden bliebe. Negativ zu Buche schlagen jedoch

Einnahmeausfälle, weil beispielsweise Unternehmen ihren Sitz nach London verlegen. Und es entstehen zusätzliche Kosten. Schottland muss vermutlich mehr in die eigene Armee und Marine investieren, sowie selbst Verwaltungen aufbauen, die es sich bislang mit England, Wales und Nordirland teilt. Vermutlich würden die Einnahmen die Ausgaben nicht decken. Außerdem sagt Ökonom Heinemann: „Die Regierung müsste einen Teil der Staatsverschuldung Großbritanniens übernehmen.“ Insgesamt würde das neue Land im Norden mit einem erheblichen Defizit starten.

 

Wo liegt das Risiko?

Sollte die Abstimmung zugunsten der Unabhängigkeit ausgehen, wird mit einer Flucht von Vermögen und Kapital nach London gerechnet. Weil sie sich Sorgen über die Stabilität der Banken machen, könnten Privathaushalte und Unternehmen einen Teil ihres Geldes von Konten bei schottischen Instituten zu britischen überweisen. Diese Ängste sind teilweise darin begründet, dass der schottische Finanzsektor ungefähr zwölf Mal so groß ist wie die übrige Wirtschaft. Das Übergewicht nährt Zweifel, ob Schottland seine Banken ausreichend finanzieren kann, wenn es zu einer neuen Finanzkrise kommt.

 

Welche Währung bekommen die Schotten?

Die Unsicherheit hängt aber auch mit der offenen Währungsfrage zusammen. Behält Schottland im Falle der Trennung das Britische Pfund? Die britische Nationalbank in London sagt „nein“. Unter anderem das Fachblatt Economist plädiert deshalb dafür, im Norden eine eigene Währung einzuführen. Diese allerdings könnte im Verhältnis zum Pfund erst einmal abwerten, wodurch die Ersparnisse der Schotten insgesamt an Wert verlieren. Um diese Probleme zu vermeiden, mag der unabhängige Staat der EU und dem Euro beitreten. Ob das klappt, steht allerdings in den Sternen, denn Großbritannien könnte das zu verhindern versuchen, ebenso die spanische Regierung, damit Schottland kein Vorbild für Katalonien wird.

 

Wie sieht es für Großbritannien aus?

Die ehemalige Weltmacht würde abermals geschwächt. Knapp zehn Prozent der Bevölkerung und der Wirtschaftsleistung gingen ihr verloren. Vor diesem Hintergrund würde wahrscheinlich auch das britische Pfund abwerten. Damit steigen die Zinsen, die London für seine Staatsverschuldung bezahlt. Höhere Kosten verursacht auch die notwendige Trennung der Verwaltungen. Unter dem Strich wäre es für beide Seiten wirtschaftlich erst einmal günstiger, den gemeinsamen Staat beizubehalten.

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