Die Krise wird noch lange dauern

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Von Wolfgang Mulke

08. Aug. 2011 –

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft nun auch italienische und spanische Anleihen zur Beruhigung der Finanzmärkte. Kurzfristig war dies erfolgreich. Offen sind die langfristigen Folgen der jüngsten Entwicklung.


Haftet Deutschland jetzt auch für italienische und spanische Staatsschulden mit?


Seit diesem Montag haftet Deutschland indirekt für Staatsschulden Italiens und Spaniens mit. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) kauft Anleihen beider Länder auf, um Spekulanten den Boden zu entziehen. Sollte einer der beiden Staaten zahlungsunfähig werden, müssten die Euro-Mitgliedsländer alle zusammen für den Kreditausfall gerade stehen. Auf Deutschland entfiele ein Anteil von gut 26 Prozent. Derzeit rechnet aber niemand mit diesem Ernstfall.


Steigt durch die Anleihenkäufe der EZB die Geldmenge und damit die Inflationsgefahr?


Die EZB bezahlt die Anleihen mit neuen Euro. Diese werden nicht gedruckt, sondern nur per Computer erzeugt ausgegeben. Damit vermehrt sich rechnerisch die Geldmenge, was tendenziell zu einem Wertverlust der Währung führt, was wiederum die Inflationsgefahr erhöht. Dies vermeidet die Notenbank aber durch ein anderes Manöver. Einmal wöchentlich sammelt die EZB bei den Banken genau den Betrag wieder ein, den sie neu in Umlauf gebracht hat. Dafür bezahlt sie den Instituten einen Zinssatz von weniger als einem Prozent. Solange auf diese Weise genügend Geld eingezogen werden kann, bleibt die Geldmenge unter dem Strich gleich und die Risiken bestehen nicht. Außerdem zahlen Italien und Spanien für fällig werden Staatspapiere. Im Idealfall bleibt am Ende alles beim Alten.


Ist die Europäische Zentralbank (EZB) tatsächlich so unabhängig wie die Bundesbank?


Nach außen wahren die Währungshüter den Schein der Unabhängigkeit. Tatsächlich dürften politische Wünsche der großen Euro-Länder die Entscheidungen der Frankfurter erheblich beeinflussen. Offiziell sieht die EZB die jüngsten Schritte als Teil ihrer Aufgabe, die Funktionsweise der Geldpolitik zu sichern. Die Notenbank agiert faktisch aber als verlängerter Arm der Finanzminister und Regierungschefs, in dem sie die Stabilität des Euro zeitweilig hinten an stellt.


Bringen die betroffenen Länder auch Gegenleistungen für die Hilfe?


Alle Krisenländer haben bisher alle finanziellen Verpflichtungen eingehalten. Selbst die Griechen zahlen ihre Schulden mit Zinsen zurück. Unter dem Strich verdienen die Retter also an der Krise – solange kein Land tatsächlich pleite geht. Außerdem knüpft die EZB ebenso wie der Rettungsfonds für den Euro die Garantien für ein Land an harte Sparauflagen. Italien und Spanien haben sich zu tiefer gehenden Einschnitten verpflichtet, wenn die Notenbank ihre Anleihen aufkauft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat stets betont, dass es keine Leistung ohne Gegenleistung geben wird.


Ist das Versprechen, Deutschland werde keine Schulden anderen Staaten übernehmen, noch ernst zu nehmen?


Diese Zusage ist praktisch wertlos. Denn über finanzielle Garantien für andere Länder ist die Bundesrepublik eine Art Mitschuldner der Krisenländer geworden. Das wird aber nur dann auch zu echten Verlusten führen, wenn diese insolvent würden, also fällige Staatsanleihen nicht mehr bedienen könnten und der künftigen Rettungsfonds dafür einstehen müsste. Im schlimmsten Fall liegt das deutsche Risiko bei einem dreistelligen Milliardenbetrag.


Wie geht es weiter?


Mit dem Eingreifen der EZB in dieser Woche haben sich die Euro-Regierungen etwas Zeit gekauft. Denn der Rettungsfonds ESM wird erst Ende September funktionstüchtig sein. Zuvor müssen noch die Regierungen aller Mitgliedsländer der Währungsgemeinschaft der Gründung, den Regeln und der Ausstattung des ESM mit rund 400 Milliarden Euro zustimmen. In der Zwischenzeit wird sich zeigen, ob die Finanzmärkte sich beruhigen lassen oder sich die Krise weiter zuspitzt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Schuldenkrise noch lange andauern wird, weil es keinen schnellen Weg daraus gibt.


Auf welche Szenarien sollten sich die Bürger einstellen?


Im besten Fall beruhigt sich die Lage und die Krisenländer rund um den Erdball stabilisieren sind und zahlen ihre Schulden aus eigener Kraft zurück. Wenn einzelne Euro-Staaten zahlungsunfähig werden sollten, kommen auch auf Deutschland Forderungen zu, die der Steuerzahler begleichen müsste. Im schlimmsten Fall eskaliert die Lage, wenn die Wirtschaft vom finanzpolitischen Strudel hinabgerissen wird. Dann würden die Staatseinnahmen zurückgehen und dies die Schuldensituation verschärfen. Problematisch wäre es auch, wenn die USA ihre Finanzen nicht in den Griff bekämen. Daraus könnte eine neuerliche Finanzkrise entstehen, mit ähnlich gravierenden Folgen wie sie 2008 zu beobachten waren.

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